10.10.2012

Kosten berufstätiger Eltern für die Unterbringung ihrer Kinder in zweisprachigem Kindergarten sind abziehbar

Berufstätige Eltern konnten auch schon vor 2009 zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 € je Kind, für die Unterbringung ihrer Kinder in einem zweisprachig geführten Kindergarten nach § 4f bzw. § 9 Abs. 5 S. 1 EStG a.F. wie Betriebsausgaben oder wie Werbungskosten einkommensteuermindernd geltend machen. Der weit zu fassende Begriff der Kinderbetreuung umfasst nicht nur die behütende Betreuung, sondern auch Elemente der Pflege und Erziehung.

BFH 19.4.2012, III R 29/11
Der Sachverhalt:
Der beruftätige Kläger ist Vater zweier Kinder. Auch die mit ihm zusammenlebende Mutter der Kinder war in den Streitjahren 2006 und 2007 berufstätig. Die Kinder besuchten dieser Zeit einen städtischen Kindergarten, in dem neben deutschen Erzieherinnen auch französische "Sprachassistentinnen" eingesetzt wurden. Die Erzieherinnen sprachen mit den Kindern ausschließlich deutsch, die Sprachassistentinnen ausschließlich französisch. Ein Lehrplan existierte nicht. Die Erzieherinnen und Sprachassistentinnen arbeiteten in der Planung, Durchführung und Auswertung der pädagogischen Aufgaben partnerschaftlich und gleichberechtigt zusammen.

Das Finanzamt lehnte den Abzug der in den Streitjahren gezahlten Leistungsvergütungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten i.S.d. in den Streitjahren geltenden § 4f S. 1 EStG ab. Es war der Ansicht, dass es sich um nach § 4f S. 3 EStG a.F. nicht abziehbare Unterrichtskosten gehandelt habe.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die vom Kläger geleisteten Zahlungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen sind.

Der vom Gesetz nicht definierte Begriff der Kinderbetreuung ist weit zu fassen. Er umfasst nicht nur die behütende und beaufsichtigende Betreuung, sondern auch Elemente der Pflege und Erziehung, also die Sorge für das körperliche, seelische und geistige Wohl des Kindes. Letzteres schließt auch die pädagogisch sinnvolle Gestaltung der in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen verbrachten Zeit ein. Der Bildungsauftrag dieser Einrichtungen hindert den vollständigen Abzug der von den Eltern geleisteten Beiträge und Gebühren grundsätzlich nicht.

Nach § 4f S. 3 EStG a.F. nicht begünstigte Aufwendungen für Unterricht oder die Vermittlung besonderer Fertigkeiten liegen nur dann vor, wenn die Dienstleistungen in einem regelmäßig organisatorisch, zeitlich und räumlich verselbstständigten Rahmen stattfinden und die von der Lehrperson während der Unterrichtszeit ausgeübte Aufsicht über das Kind und damit die behütende Betreuung gegenüber der Vermittlung der besonderen Fähigkeiten als dem Hauptzweck der Dienstleistung in den Hintergrund treten.

Davon konnte hier allerdings nicht die Rede sein. Die kindergartentypische Betreuung der Kinder stand im Vordergrund. Darin lag auch der Hauptzweck des Einsatzes der französischen Sprachassistentinnen. Diese sollten den Kindern in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den deutschen Erzieherinnen eine bilinguale und interkulturelle Erziehung ermöglichen. Das FG hatte zudem in für den Senat bindender Weise festgestellt, dass der Kläger - abgesehen vom spielerischen Spracherwerb - gerade auch das Ziel einer allgemein besseren Betreuung durch Einsatz eines zusätzlichen Betreuers verfolgt hat. Kosten, die aufgewandt werden, um in den Genuss eines günstigeren Betreuungsschlüssels zu kommen, werden aber unproblematisch von § 4f S. 1 EStG erfasst.

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BFH PM Nr. 70 vom 10.10.2012
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