Kosten eines Verkehrswertgutachtens für Zwecke der Grundsteuer
FG Baden-Württemberg v. 16.10.2025 - 8 K 626/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks mit einer Fläche von 4.013 qm. Es befindet sich in einer Bodenrichtwertzone, für die der Bodenrichtwert vom zuständigen Gutachterausschuss am 1.1.2022 auf 150 €/qm festgestellt worden war. Mit Grundsteuerwertbescheid - Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 - vom 22.12.2022 hatte das Finanzamt den Grundsteuerwert auf 601.900 € und den Grundsteuermessbetrag mit Grundsteuermessbescheid - Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 - auf 547,73 € festgestellt.
Hiergegen legte der Kläger am 10.1.2023 Einspruch ein. Er trug vor, laut städtebaulichem Vertrag vom 27.10.2005 sei nur eine Teilfläche von 2.064 qm des Grundstücks zu Bauland umgewandelt worden. Die Restfläche von 1.949 qm sei als "unbebaubare Grünfläche" ausgewiesen. Diese Fläche werde als Streuobstwiese genutzt. Daher sei insoweit nur der Bodenrichtwert für Grünflächen anzusetzen. Das Finanzamt blieb bei seiner Ansicht, dass es sich bei dem Grundstück insgesamt um Grundvermögen handle. Die nicht bebaute Teilfläche werde gemeinsam mit dem bebauten Teil als Garten genutzt. Dem entspreche auch, dass das Grundstück im Flächennutzungsplan, im Liegenschaftskataster und im Grundbuch als Wohnbaufläche ausgewiesen werde.
Der Kläger beauftragte den zuständigen Gutachterausschuss mit der Erstellung eines Gutachtens und reichte dieses am 23.5.2025 ein. Darin wurde der Verkehrswert mit 355.000 € eingeschätzt. Dabei wurde eine Teilfläche von 2.178 qm mit 150 €/qm und die Restfläche von 1.835 qm mit 15 €/qm für Freizeit- und Gartenlandfläche bewertet. Das Finanzamt erkannte das Gutachten als Nachweis i.S.d. § 38 Abs. 4 LGrStG an und setzte den Grundsteuerwert auf 355.000 € sowie den Grundsteuermessbetrag auf 323,05 € herab. Die Beteiligten erklärten hierauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Das FG hat die Kosten des Verfahrens dem Finanzamt auferlegt.
Die Gründe:
Bei der Ausübung seines Ermessens nach § 138 Abs. 1 FGO hielt das Gericht den bisherigen Sach- und Streitstand, wonach der Kläger aufgrund der Einreichung des Verkehrswertgutachtens bei einer Entscheidung des Gerichts in der Sache obsiegt hätte, für ausschlaggebend. Von der Anwendung des Rechtsgedankens des § 137 Satz 1 FGO hat das Gericht hingegen im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG keinen Gebrauch. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der nunmehr nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens i.S.d. § 38 Abs. 4 Satz 1 LGrStG lediglich 355.000 € beträgt und der Grundsteuerwert nach § 38 Abs. 1 LGrStG im angefochtenen Bescheid mit 601.900 € eine erhebliche Überbewertung zur Folge hatte, die bei Berücksichtigung der eingeschränkten Bebaubarkeit des Grundstücks - jedenfalls dem Grunde nach - auch offenkundig war.
Der Kläger hätte das Gutachten zwar schon vor der Klageerhebung einreichen können und sollen. Die entsprechende Pflicht hierfür ergab sich aus § 38 Abs. 4 Satz 1 LGrStG. Eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 137 Satz 1 FGO würde jedoch im Streitfall dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG widersprechen (ebenso für den Fall der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer). Das Gericht stützte sich dabei auf das in § 137 Satz 1 FGO eingeräumte Ermessen, ob und in welchem Umfang es dem Kläger die Kosten des Verfahrens in solchen Fällen auferlegt. Auch wenn der Tatbestand des § 137 Satz 1 FGO erfüllt ist, sind die Kosten demnach nicht zwingend und ausnahmslos dem Kläger aufzuerlegen.
Durch die erfolgte Änderung des angefochtenen Grundsteuerwert- und des Grundsteuermessbescheids reduzierte sich die jährliche Grundsteuer - bei einem Hebesatz der berechtigten Gemeinde von derzeit 270 % - um 606,63 €. Bezogen auf den Zeitraum, in dem dieser Grundsteuerwert gem. §§ 15, 41 Abs. 1 und 2 LGrStG der Besteuerung zugrunde gelegt wird, nämlich von 1.1.2025 bis 1.1.2029 zuzüglich zweier Jahre, also insgesamt sechs Jahre beim ersten Hauptveranlagungszeitraum, beträgt die Verringerung der Steuerlast 3.639,80 €. Dem standen 1.514,28 € an Kosten für das Gutachten gegenüber. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Bewertungsvorschrift in § 38 LGrStG den Verkehrswert des Grund und Bodens als Zielwert besteuern will. Die Reduzierung der Grundsteuer aufgrund des Verkehrswertgutachtens war also keine Vergünstigung für den Kläger, sondern stellt lediglich den vom Gesetzgeber angestrebten Zustand her.
Auch wenn im Streitfall nach den Grundsätzen des summarischen Verfahrens davon ausgegangen werden musste, dass der Grundsteuerwertbescheid zunächst rechtmäßig war, stand fest, dass das Finanzamt zwar grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos, an die Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses gebunden war. Es war nicht auszuschließen, dass es bei einer Fortführung des Verfahrens und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu einer gerichtlichen Überprüfung des vom Gutachterausschuss festgestellten Bodenrichtwertes bzw. der gebildeten Bodenrichtwertzone gekommen wäre.
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Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks mit einer Fläche von 4.013 qm. Es befindet sich in einer Bodenrichtwertzone, für die der Bodenrichtwert vom zuständigen Gutachterausschuss am 1.1.2022 auf 150 €/qm festgestellt worden war. Mit Grundsteuerwertbescheid - Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 - vom 22.12.2022 hatte das Finanzamt den Grundsteuerwert auf 601.900 € und den Grundsteuermessbetrag mit Grundsteuermessbescheid - Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 - auf 547,73 € festgestellt.
Hiergegen legte der Kläger am 10.1.2023 Einspruch ein. Er trug vor, laut städtebaulichem Vertrag vom 27.10.2005 sei nur eine Teilfläche von 2.064 qm des Grundstücks zu Bauland umgewandelt worden. Die Restfläche von 1.949 qm sei als "unbebaubare Grünfläche" ausgewiesen. Diese Fläche werde als Streuobstwiese genutzt. Daher sei insoweit nur der Bodenrichtwert für Grünflächen anzusetzen. Das Finanzamt blieb bei seiner Ansicht, dass es sich bei dem Grundstück insgesamt um Grundvermögen handle. Die nicht bebaute Teilfläche werde gemeinsam mit dem bebauten Teil als Garten genutzt. Dem entspreche auch, dass das Grundstück im Flächennutzungsplan, im Liegenschaftskataster und im Grundbuch als Wohnbaufläche ausgewiesen werde.
Der Kläger beauftragte den zuständigen Gutachterausschuss mit der Erstellung eines Gutachtens und reichte dieses am 23.5.2025 ein. Darin wurde der Verkehrswert mit 355.000 € eingeschätzt. Dabei wurde eine Teilfläche von 2.178 qm mit 150 €/qm und die Restfläche von 1.835 qm mit 15 €/qm für Freizeit- und Gartenlandfläche bewertet. Das Finanzamt erkannte das Gutachten als Nachweis i.S.d. § 38 Abs. 4 LGrStG an und setzte den Grundsteuerwert auf 355.000 € sowie den Grundsteuermessbetrag auf 323,05 € herab. Die Beteiligten erklärten hierauf den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Das FG hat die Kosten des Verfahrens dem Finanzamt auferlegt.
Die Gründe:
Bei der Ausübung seines Ermessens nach § 138 Abs. 1 FGO hielt das Gericht den bisherigen Sach- und Streitstand, wonach der Kläger aufgrund der Einreichung des Verkehrswertgutachtens bei einer Entscheidung des Gerichts in der Sache obsiegt hätte, für ausschlaggebend. Von der Anwendung des Rechtsgedankens des § 137 Satz 1 FGO hat das Gericht hingegen im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG keinen Gebrauch. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der nunmehr nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens i.S.d. § 38 Abs. 4 Satz 1 LGrStG lediglich 355.000 € beträgt und der Grundsteuerwert nach § 38 Abs. 1 LGrStG im angefochtenen Bescheid mit 601.900 € eine erhebliche Überbewertung zur Folge hatte, die bei Berücksichtigung der eingeschränkten Bebaubarkeit des Grundstücks - jedenfalls dem Grunde nach - auch offenkundig war.
Der Kläger hätte das Gutachten zwar schon vor der Klageerhebung einreichen können und sollen. Die entsprechende Pflicht hierfür ergab sich aus § 38 Abs. 4 Satz 1 LGrStG. Eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 137 Satz 1 FGO würde jedoch im Streitfall dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG widersprechen (ebenso für den Fall der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer). Das Gericht stützte sich dabei auf das in § 137 Satz 1 FGO eingeräumte Ermessen, ob und in welchem Umfang es dem Kläger die Kosten des Verfahrens in solchen Fällen auferlegt. Auch wenn der Tatbestand des § 137 Satz 1 FGO erfüllt ist, sind die Kosten demnach nicht zwingend und ausnahmslos dem Kläger aufzuerlegen.
Durch die erfolgte Änderung des angefochtenen Grundsteuerwert- und des Grundsteuermessbescheids reduzierte sich die jährliche Grundsteuer - bei einem Hebesatz der berechtigten Gemeinde von derzeit 270 % - um 606,63 €. Bezogen auf den Zeitraum, in dem dieser Grundsteuerwert gem. §§ 15, 41 Abs. 1 und 2 LGrStG der Besteuerung zugrunde gelegt wird, nämlich von 1.1.2025 bis 1.1.2029 zuzüglich zweier Jahre, also insgesamt sechs Jahre beim ersten Hauptveranlagungszeitraum, beträgt die Verringerung der Steuerlast 3.639,80 €. Dem standen 1.514,28 € an Kosten für das Gutachten gegenüber. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Bewertungsvorschrift in § 38 LGrStG den Verkehrswert des Grund und Bodens als Zielwert besteuern will. Die Reduzierung der Grundsteuer aufgrund des Verkehrswertgutachtens war also keine Vergünstigung für den Kläger, sondern stellt lediglich den vom Gesetzgeber angestrebten Zustand her.
Auch wenn im Streitfall nach den Grundsätzen des summarischen Verfahrens davon ausgegangen werden musste, dass der Grundsteuerwertbescheid zunächst rechtmäßig war, stand fest, dass das Finanzamt zwar grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos, an die Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses gebunden war. Es war nicht auszuschließen, dass es bei einer Fortführung des Verfahrens und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu einer gerichtlichen Überprüfung des vom Gutachterausschuss festgestellten Bodenrichtwertes bzw. der gebildeten Bodenrichtwertzone gekommen wäre.
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