03.08.2012

Kostenfestsetzung: Zwei Geschäftsgebühren im Vorverfahren bei getrennt geführten Einspruchsverfahren

Für die Bildung eines Gesamtstreitwerts auch für das Vorverfahren gibt es keine Rechtsgrundlage. Nach § 22 Abs. 1 RVG werden die Werte mehrerer Gegenstände nur in derselben Angelegenheit zusammengerechnet.

FG Köln 12.7.2012, 10 Ko 4029/11
Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie die der Erinnerungsgegnerin vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten des Vorverfahrens zu berechnen sind. Die Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin hatten getrennt Einspruch eingelegt gegen die Umsatzsteuerbescheide 2004 (von Juni 2006) und 2005 (von September 2007). Der Erinnerungsführer entschied über die getrennt erhobenen Einsprüche durch gemeinsame Einspruchsentscheidung von September 2007. Darin erhöhte er die Umsatzsteuerfestsetzungen zu Lasten der Erinnerungsgegnerin.

Die Erinnerungsgegnerin erhob gegen die Einspruchsentscheidung Klage. Das FG gab der Klage statt und erlegte die Kosten dem Beklagten und Erinnerungsführer auf. Mit Beschluss von September 2011 wurde die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Außerdem beantragte die Erinnerungsgegnerin, die ihr zu erstattenden Kosten festzusetzen. Dabei legte sie jeweils eine 2,5 Geschäftsgebühr für den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 und den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 zugrunde. Sie ging jeweils von dem Gegenstandswert für das einzelne Verfahren aus.

Der Kostenbeamte des FG setzte die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten insoweit antragsgemäß fest. Hiergegen legte der Erinnerungsführer rechtzeitig Erinnerung ein. Der Streitwert für das gerichtliche Verfahren bestimme sich nach § 52 GKG. Würden in einem gerichtlichen Verfahren mehrere selbständige Klagebegehren i.S.d. § 43 GKG behandelt, so sei nur ein Gesamtstreitwert festzusetzen. Da der Streitwert des Klageverfahrens auch maßgeblich für die Berechnung der erstattungsfähigen Kosten des außergerichtlichen Verfahrens sei, sei auch hier ein Gesamtstreitwert zu bilden.

Das FG wies die Erinnerung zurück.

Die Gründe:
Der Kostenbeamte hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht zweimal die Geschäftsgebühr unter Zugrundelegung des jeweiligen Einzelstreitwerts angesetzt.

Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass er die Geschäftsgebühr für jede eigene Angelegenheit fordern kann, d.h. bei verschiedenen Angelegenheiten entstehen jeweils getrennte Geschäftsgebühren. Dieselbe Angelegenheit liegt u.a. nur dann vor, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in dem gleichen Rahmen abspielt. Getrennt erhobene Einsprüche gegen verschiedene Steuerbescheide führen zu mehreren Verfahren. Mehrere Verfahren bedeuten mehrere Angelegenheiten. Die einmal entstandene Geschäftsgebühr bleibt auch bei späterer Verbindung von zunächst verschiedenen Angelegenheiten bestehen. Der Rechtsanwalt erhält bei zusammengefasster Einspruchsentscheidung über mehrere Einsprüche mehrere Geschäftsgebühren.

Dieser Lösung steht nicht entgegen, dass die Erinnerungsgegnerin gegen die Einspruchsentscheidung eine Klage erhoben hat, sodass sich im Gerichtsverfahren nur eine Angelegenheit ergeben hat, für die ein Gesamtstreitwert zu bilden war. Für die Bildung eines Gesamtstreitwerts auch für das Vorverfahren gibt es keine Rechtsgrundlage. Nach § 22 Abs. 1 RVG werden die Werte mehrerer Gegenstände nur in derselben Angelegenheit zusammengerechnet. Dies spricht dagegen, die Werte mehrerer Gegenstände verschiedener Angelegenheiten zusammenzurechnen.

Zwar bestimmt sich der Gegenstandswert für das Vorverfahren gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Dies bedeutet aber nicht, dass auch für das Vorverfahren ein Gesamtstreitwert zu ermitteln ist, wenn für das Klageverfahren ein Gesamtstreitwert zu ermitteln ist, weil nur eine Klage erhoben worden ist. Die Wertvorschriften des GKG gelten nur "entsprechend". Dies bedeutet, dass bei getrennt eingelegten Einsprüchen die Wertvorschriften anzuwenden sind, die bei getrennt erhobenen Klagen gelten. Bei getrennt erhobenen Klagen entsteht die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klageschrift (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG). Diese für die bisher selbständigen Verfahren entstandenen Verfahrensgebühren bleiben auch bei einer Verbindung bestehen und werden nicht neu von dem Gesamtstreitwert berechnet. Entsprechendes gilt dann auch für das Vorverfahren.

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