29.06.2012

KraftSt für ein zur Insolvenzmasse gehörendes Auto ist ab Insolvenzeröffnung aus der Masse zu befriedigen

Unabhängig davon, ob die KraftSt für einen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Entrichtungszeitraum bereits entrichtet war, ist die nach Verfahrenseröffnung - grds. tageweise - entstehende KraftSt dann eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist. Die mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums entstehende KraftSt-Zahlungsschuld ist kein "begründeter Vermögensanspruch" i.S.d. § 38 InsO und damit keine Insolvenzforderung, soweit der steuerrelevante Sachverhalt des Haltens des Fahrzeugs nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird.

FG Schleswig-Holstein 8.3.2012, 3 K 17/11 u.a.
Der Sachverhalt:
Das Finanzamt hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die - ursprünglich für ein vollständiges Jahr festgesetzte und bereits entrichtete - KraftSt für ein weiterhin zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassenes Fahrzeug der Insolvenzschuldnerin bis zum Tag vor der Insolvenzeröffnung festgesetzt. Das sich aus dem Bescheid auf Grund der bereits vollständig erfolgten Entrichtung der KraftSt ergebende Guthaben verrechnete es mit offenen USt-Rückständen im Range von Insolvenzforderungen. Gleichzeitig setzte die Finanzbehörde die KraftSt für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung bis zum Ende des ursprünglichen bzw. regulären Entrichtungszeitraums neu fest und für danach beginnende Entrichtungszeiträume auf einen neuen Jahresbetrag fest.

Das FG wies die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Masseforderung des Finanzamtes ab. Die Urteile sind inzwischen rechtskräftig.

Die Gründe:
Zwar zählte nach bisheriger Rechtsprechung des IX. Senats des BFH auch die Rechtsposition als Halter eines Fahrzeugs zu der Insolvenzmasse. Diese Auffassung teilt der nunmehr für die KraftSt allein zuständige II. Senat des BFH nicht mehr. Maßgebend dafür, ob eine Masseverbindlichkeit vorliegt, ist demnach allein, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist. Denn nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO ("durch die Verwaltung ... der Insolvenzmasse") liegen Masseverbindlichkeiten nur vor, wenn ein Massegegenstand verwaltet wird und daraus eine (Steuer-)Verbindlichkeit resultiert.

Diese Voraussetzung erfüllt die nach Insolvenzeröffnung entstandene KraftSt, wenn das Fahrzeug nach § 80 InsO der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall selbst über die weitere Verwendung und Verwertung des Fahrzeugs bestimmen. Ab Insolvenzeröffnung hat die KraftSt-Festsetzung sodann gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erfolgen, denn die KraftSt entsteht nach verkehrsrechtlicher Zulassung des Fahrzeugs - grds. tageweise - durch das Halten des Fahrzeugs unabhängig von dem Zeitpunkt der Entstehung der KraftSt-Zahlungsschuld. Bei dieser handelt es sich es sich (lediglich) um eine gesetzlich vorgeschriebene Vorauszahlung auf eine noch nicht entstandene Steuer.

Die nach Insolvenzeröffnung entstandene KraftSt ist auch dann Masseforderung, wenn der Insolvenzschuldner die KraftSt im Voraus entrichtet hat. Eine Aufteilung der Zeiträume vor und nach Insolvenzeröffnung ist auch in diesem Fall um einer gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger geboten. Dem steht auch § 38 InsO mangels "begründetem" Vermögensanspruch der persönlichen Gläubiger nicht entgegen. Eine Steuerforderung ist immer dann Insolvenzforderung, d.h. "begründete" Vermögensforderung, wenn der ihr zugrundeliegende (zivilrechtliche) Tatbestand, der zur Entstehung des Steueranspruchs führt, vom Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung verwirklicht, d.h. vollständig erfüllt und materiell-rechtlich abgeschlossen worden war.

Wird der steuerrelevante Sachverhalt dagegen wie in den entschiedenen Fällen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, kann es sich bei den daraus resultierenden Steueransprüchen nicht um Insolvenzforderungen handeln, sondern entweder nur um Masseforderungen (Tatbestandverwirklichung durch den Insolvenzverwalter) - so vorliegend - oder um insolvenzfreie Forderungen (Tatbestandsverwirklichung durch den Insolvenzschuldner).

FG Schleswig-Holstein PM vom 29.6.2012
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