21.11.2012

Kurzfristige Einlage zur Umgehung der Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG a.F. nicht abziehbarer Schuldzinsen stellt Gestaltungsmissbrauch dar

Die kurzfristige Einlage von Geld durch Einzahlung auf ein betriebliches Konto stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar, wenn sie allein dazu dient, die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG a.F. nicht abziehbarer Schuldzinsen zu umgehen. In einem solchen Fall entsteht der Steueranspruch so, wie er entstanden wäre, wenn die Einlage unterblieben wäre.

BFH 21.8.2012, VIII R 32/09
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs gem. § 4 Abs. 4a EStG a.F. durch kurzfristige Einzahlungen auf das betriebliche Girokonto reduziert werden kann.

Die Kläger sind Eheleute und werden in den Streitjahren 2001 bis 2003 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte u.a. als Arzt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Den Gewinn ermittelte er gem. § 4 Abs. 3 EStG. 2001 erwarben die Kläger ein Grundstück und bebauten es mit einem selbst genutzten Einfamilienhaus. Zur Bezahlung der Anschaffungskosten verwendete der Kläger Betriebseinnahmen aus seiner ärztlichen Praxis; der Betrieb musste deshalb vermehrt Darlehen in Anspruch nehmen. Trotz hoher betrieblicher Schuldzinsen erklärten die Kläger fast keine Hinzurechnungen für nicht abziehbare Schuldzinsen.

Eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung ergab, dass der Kläger dem betrieblichen Girokonto jeweils zum Jahresende hohe Geldbeträge zugeführt und diese kurz danach wieder entnommen hatte. Das Geld hatte sich der Kläger aufgrund einer kurzfristigen Darlehenszusage bei einem Kreditinstitut geliehen. Das Finanzamt ließ diese Ein- und Auszahlungen bei der Berechnung der Überentnahmen unberücksichtigt, da ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliege (§ 42 AO a.F.). Danach ergaben sich höhere nicht abziehbare Schuldzinsen. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer entsprechend höher fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Gründe:
Das FG hat - im Ergebnis zu Recht - hinsichtlich der streitigen kurzfristigen Einzahlungen auf das betriebliche Girokonto einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) bejaht mit der Folge, dass der Betrag der Überentnahmen i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG hierdurch nicht reduziert worden ist.

Die streitigen Einzahlungen auf das betriebliche Girokonto erfüllen den Tatbestand der Einlage (§ 4 Abs. 1 S. 5 EStG). Sie wären danach grundsätzlich auch bei der Ermittlung der Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a EStG) zu berücksichtigen. Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. § 4 Abs. 4a EStG ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen (§ 4 Abs. 4a S. 6 EStG).

Die streitigen Einlagen sind indes bei der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu beachten, weil sie einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen; rechtlich angemessen wäre es im Streitfall gewesen, die Einlagen zu unterlassen. Nach § 42 Abs. 1 S. 1 AO kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Danach erfüllen die streitigen Einzahlungen den Tatbestand des § 42 Abs. 1 S. 1 AO.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Gesetzgeber § 4 Abs. 4a S. 3 EStG a.F. aufgehoben hat. § 42 AO ist nach der Aufhebung von § 4 Abs. 4a S. 3 EStG a.F. auf die betreffenden Fallgestaltungen (jedenfalls wieder) anwendbar. Allenfalls hätte § 4 Abs. 4a S. 3 EStG a.F. die Anwendung von § 42 AO als lex specialis ausschließen können. Die Aufhebung der Vorschrift ist aber nicht so zu verstehen, dass zukünftig die von ihr erfassten Vorgänge nicht mehr als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten beurteilt werden sollen.

Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (bzw. entstanden wäre, § 42 Abs. 1 S. 2 AO). Da für die vom Kläger vorgenommenen Einzahlungen ein steuerlich beachtlicher, wirtschaftlicher Zweck nicht erkennbar ist, hätte die angemessene rechtliche Gestaltung darin bestanden, die Einlagen zu unterlassen. Der Steueranspruch entsteht folglich so, wie er entstanden wäre, wenn die streitigen Einlagen unterblieben wären.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 77 vom 21.11.2012
Zurück