28.10.2025

Lieferung von alkoholischen Flüssigkeiten durch Landwirte unterliegt der Regelbesteuerung

Alkohol ist weder ein landwirtschaftliches Erzeugnis noch die Herstellung von Rohalkohol aus Obstmaische eine landwirtschaftliche Dienstleistung. Die Herstellung von Alkohol mittels einer Destillieranlage (Schnapsbrennkessel) ist umsatzsteuerrechtlich kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb, weil er nicht mit Mitteln ausgeübt wird, die normalerweise in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.

FG Baden-Württemberg v. 24.4.2024 - 14 K 2016/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft mit angeschlossener Brennerei. Er baut Obst an, das er teilweise verkauft und teilweise zu Alkohol verarbeitet. Er produziert mittels einer Destillieranlage diverse Obstbrände. Die sensorisch besten Brände füllt er selbst ab und verkauft sie als Schnäpse an Laufkundschaft und Hofläden. Den Rest liefert er als Rohalkohol an Großhändler. Für die Streitjahre 2015 bis 2018 unterwarf der Kläger die Entgelte aus dem Verkauf von selbst hergestellten Bränden der Pauschalsteuer von 8,3 % und die Entgelte aus den Lieferungen von Rohalkohol an Großhändler der Regelbesteuerung mit 19 %.

Abweichend von seinen bisherigen Erklärungen beantragte der Kläger im März 2020, die gesamten Umsätze mit alkoholischen Flüssigkeiten der Pauschalbesteuerung zu unterwerfen. Soweit er Rohalkohol an Großhändler verkaufe, würde diese und nicht er den Rohalkohol einer Reinigung durch eine zweite Destillation unterziehen.

Das beklagte FA lehnte die Änderungsanträge ab, da die Reinigung zu einem Produkt der zweiten oder einer höheren Verarbeitungsstufe führe und die Umsätze deswegen der Regelbesteuerung unterlägen.

Die hiergegen erhobene Klage hat das FG abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig: Die Revision ist anhängig beim BFH (Az.: V R 37/24).

Die Gründe:
Das FA hat die streitigen Umsätze zurecht der Regelbesteuerung unterworfen.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in der für den Streitzeitraum 2015 bis 2018 geltenden Fassung wird für die Lieferung von alkoholischen Flüssigkeiten die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 auf 19 % festgesetzt. Nach Satz 3 Alt. 2 der Vorschrift werden die Vorsteuerbeträge auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Nach Satz 4 entfällt ein weiterer Vorsteuerabzug. Aus dem pauschalen Vorsteuerabzug ergibt sich ein effektiver Steuersatz von 8,3 % auf alkoholische Flüssigkeiten.

Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG gelten als land- und fortwirtschaftlicher Betrieb u.a. die Landwirtschaft und der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau. Nach Satz 2 der Vorschrift gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

Diese Regelung zur Privilegierung der Land- und Forstwirte hat in ähnlicher Form schon vor der Vereinheitlichung des Umsatzsteuerrechts durch die EU bestanden. Sie findet eine Entsprechung in den Artikeln 295 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Diese Vorschriften gestatten es den Mitgliedstaaten, auf landwirtschaftliche Erzeugnisse eine Pauschalregelung anzuwenden.

Den in Anhang VII aufgeführten Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung gleichgestellt sind gemäß Art. 295 Abs. 2 MwStSystRL die Verarbeitungstätigkeiten, die ein Landwirt bei im Wesentlichen aus seiner landwirtschaftlichen Produktion stammenden Erzeugnissen mit Mitteln ausübt, die normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.

Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung und der dazu ergangenen Rechtsprechung hat das FA im Ergebnis zu Recht die Pauschalbesteuerung der streitgegenständlichen Umsätze abgelehnt. Entscheidend hierfür ist allerdings nicht, dass durch den zweiten Destilliervorgang ein Produkt höherer Verarbeitungsstufe entstanden ist, das nicht mehr als landwirtschaftliches Produkt angesehen werden kann und diese zweite Destillation dem Kläger zuzurechnen ist. Letzteres ist nicht der Fall, weil der wichtigste Großabnehmer des Klägers glaubhaft ausgeführt hat, der Kläger selbst habe keine Verträge über den zweiten Destilliervorgang abgeschlossen, sondern ihm seien hierfür nur die Kosten auferlegt worden. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil bereits nach dem ersten Destilliervorgang, den der Kläger durchgeführt hat, kein landwirtschaftliches Erzeugnis mehr vorgelegen bzw. keine Verarbeitung im Rahmen einer landwirtschaftlichen Tätigkeit stattgefunden hat. Sämtliche Umsätze der Brennerei hätten der Regelbesteuerung unterworfen werden müssen.

Zwar ist der Kläger unstreitig ein "landwirtschaftlicher Erzeuger" im Sinne der MwStSystRL und betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb in Gestalt eines Obstbaus im Sinne des UStG und der MwStSystRL. Doch findet die Herstellung des Rohalkohols aus dem angebauten Obst nicht mehr im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs statt.

Der Alkohol ist kein landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL. Die Herstellung von Alkohol ist in der MwStSystRL mit Ausnahme des in Anhang VII unter Nr. 1 Buchst. a genannten Weinbaus nicht erwähnt. Die Alkoholerzeugung aus Obst ist kein Obstanbau im Sinne von Anhang VII Nr. 1 Buchst. b MwStSystRL und von § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG. Eine entsprechende Auslegung würde die Wortsinngrenze überschreiten.

Die Brennerei und damit die Herstellung des Alkohols ist umsatzsteuerrechtlich auch kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG bzw. die Alkoholherstellung mittels Destillierung keine nach Art. 295 Abs. 2 MwStSystRL der landwirtschaftlichen Erzeugung gleichgestellte Verarbeitungstätigkeit, weil sie nicht mit Mitteln ausgeübt wird, die normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet würden.

Für die Gewinnung des Rohalkohols aus der Obstmaische ist eine Destillieranlage (Schnapsbrennkessel) erforderlich. Dies ist kein Mittel, das normalerweise in einem landwirtschaftlichen Betrieb verwendet wird.

Vor dem Hintergrund, dass die Art. 295 ff. MwStSystRL eng und gemeinschaftsweit identisch auszulegen sind, genügt dies aber nicht, um die Herstellung von Rohalkohol als landwirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren. Bei ca. 263.000 landwirtschaftlichen Betrieben bundesweit im Jahr 2020 beträgt der Anteil der landwirtschaftlichen Betriebe mit angeschlossener Brennerei nur gut 11 %.

Der Destillationsvorgang ist auch keine landwirtschaftliche Dienstleistung im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL.

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Christian Sterzinger, UStB 2024, 364

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