30.11.2020

Mittelbare Anteilsvereinigung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft

Grundbesitzende Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann sowohl eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein. Bei einer über eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft vermittelten (mittelbaren) Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist für eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft und nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen maßgebend. Hält der Erwerber bereits unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer unmittelbarer oder mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

BFH v. 27.5.2020 - II R 45/17
Der Sachverhalt:
Die klagende GmbH war mit 100 % an der B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH war als Kommanditistin zu 95 % am Gesellschaftsvermögen einer grundbesitzenden KG beteiligt. Weitere Kommanditistin der KG mit einem Anteil von 5 % am Gesellschaftsvermögen war die G-GmbH. Komplementärin der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen war die D-GmbH. An der D-GmbH war mit 100 % die V-GmbH beteiligt.

Im August 2011 verkaufte die V-GmbH ihre 100 % Anteile an der D-GmbH an die Klägerin. Die D-GmbH wurde umbenannt in A-GmbH. Des Weiteren verkaufte die G-GmbH ihre fünfprozentige Kommanditbeteiligung an der KG an die B-GmbH. Nach den Verkäufen und in der Folge durchgeführten Übertragungen waren somit an der KG ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen die A-GmbH als Komplementärin und als Kommanditistin zu 100 % am Gesellschaftsvermögen die B-GmbH beteiligt. Die Klägerin war sowohl an der B-GmbH als auch an der A-GmbH zu 100 % beteiligt.

Das Finanzamt setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer i.H.v. rd. 430.000 € fest. Es ging davon aus, dass der Erwerb der Kommanditbeteiligung an der KG seitens der B-GmbH und der Erwerb aller Anteile an der D-GmbH seitens der Klägerin durch den Kaufvertrag von August 2011 den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt habe. Die Klägerin macht geltend, der Erwerbsvorgang erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht, da die Klägerin schon zuvor über ihre 100-prozentige Beteiligung an der B-GmbH mittelbar mit 95 % am Gesellschaftsvermögen der KG beteiligt gewesen sei.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Erwerbsvorgang begründet keinen grunderwerbsteuerbaren Tatbestand. Als "Anteil der Gesellschaft" i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist auch bei einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Gesellschaft anzusehen.

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer - soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a der Vorschrift nicht in Betracht kommt - ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist gleichermaßen auf grundbesitzende Personen- und Kapitalgesellschaften anwendbar. Der Wortlaut der Vorschrift, der von "Vermögen" und "Anteil" an einer grundbesitzenden "Gesellschaft" spricht, differenziert insoweit nicht. Die Steuerbarkeit wird durch die erstmalige Vereinigung der Anteile und hierbei durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Die Anteilsvereinigung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erwerber die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt. Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft dann unmittelbar, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird. Beim mittelbaren Anteilserwerb scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus, da es keine Regelungen für einen mittelbaren Anteilserwerb vorsieht.

Unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Anteilserwerb vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen. Entscheidend kommt es auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft an. Bei einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft setzt ein mittelbarer Anteilserwerb, der zu einer Anteilsvereinigung beitragen oder führen kann, voraus, dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) oder bei den Zwischengesellschaften als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen. Dies ist beispielsweise bei Vorhandensein einer einzigen Zwischengesellschaft der Fall, wenn der Anteilserwerber mindestens 95 % der Anteile an der Zwischengesellschaft hält und diese ihrerseits zu mindestens 95 % an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Beteiligung der Gesellschaft, die Gesellschafterin der grundbesitzenden Gesellschaft ist, für Zwecke des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG dem Anteilserwerber als mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zugerechnet.

Der Gesetzgeber geht mit der Absenkung der Mindestbeteiligungsquote auf 95 % für Zwecke der Grunderwerbsteuer typisierend davon aus, dass der Anteilserwerber mit dem Erreichen dieser Quote in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen bei der grundbesitzenden Gesellschaft durchzusetzen. Wird die Beteiligung an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft über eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten, ist für die Beurteilung, ob mittelbar mindestens 95 % der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden, in Hinblick auf die zwischengeschaltete Personengesellschaft nicht die sachenrechtliche Mitberechtigung des erwerbenden Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, sondern der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft maßgebend. Der Anteil am Vermögen der Personengesellschaft vermittelt regelmäßig, soweit er mindestens 95 % beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.

Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf nachgeordnete Gesellschaften, an denen die Personengesellschaft wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften ist unmittelbar der Personengesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen. Der Erwerb von Anteilen an einer zwischengeschalteten Personengesellschaft kann dann zu einer mittelbaren Anteilsvereinigung i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bei der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft beitragen oder führen, wenn dem Erwerber nach dem Anteilserwerb mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der Personengesellschaft zuzurechnen sind. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist die Beteiligung der Personengesellschaft an der grundbesitzenden Kapitalgesellschaft dem Anteilserwerber mittelbar zuzurechnen. Dieselben Grundsätze gelten, wenn die grundbesitzende Gesellschaft eine Personengesellschaft ist und es sich bei der zwischengeschalteten Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt. Hält der Erwerber bereits mittelbar mindestens 95 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft, ist ein weiterer mittelbarer Anteilserwerb nicht mehr nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar.

Im Streitfall war die Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrags mittelbar zu 95 % an der KG beteiligt. Diese Beteiligung wurde vermittelt durch ihre hundertprozentige Beteiligung an der zwischengeschalteten B-GmbH, die ihrerseits 95 % Anteile am Vermögen der KG hielt. Der mittelbaren Beteiligung der Steuerpflichtigen an der KG i.H.v. mindestens 95 % stand nicht entgegen, dass vor Abschluss des Kaufvertrags die G-GmbH als weitere Kommanditistin und die D-GmbH - bzw. mittelbar die V-GmbH - als Komplementärin an der KG beteiligt waren. Denn für die mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden KG kommt es nicht auf die gesamthänderische Mitberechtigung, sondern auf den Anteil am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft an.
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