26.04.2012

Nationale Zulassungssteuer bei unentgeltlichem grenzüberschreitendem Verleih eines Kfz muss Dauer der Benutzung berücksichtigen

Im Rahmen eines kurzfristigen unentgeltlichen grenzüberschreitenden Verleihs eines Kfz muss eine nationale Zulassungssteuer nach Maßgabe der Dauer der Benutzung der Fahrzeuge berechnet werden. Das Unionsrecht steht einer solchen Steuer entgegen, wenn sie in voller Höhe und unbedingt bei der ersten Ingebrauchnahme des Kfz im Inland erhoben wird, obwohl das fragliche Fahrzeug weder dazu bestimmt ist, dort im Wesentlichen dauerhaft benutzt zu werden, noch tatsächlich so benutzt wird.

EuGH 26.4.2012, C-578/10 u.a.
Hintergrund:
In den Niederlanden wird mit der Eintragung von Pkw und Motorrädern in das Zulassungsregister eine Zulassungssteuer auf diese (im Folgenden: PM-Steuer) erhoben. Sind die Pkw oder Motorräder in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen und werden sie einer in den Niederlanden wohnhaften Person unentgeltlich zur Verfügung gestellt, so wird die Steuer mit der ersten Ingebrauchnahme des Fahrzeugs auf dem niederländischen Straßennetz fällig.

Der Sachverhalt:
Die Kläger wohnen in den Niederlanden und nutzen in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene und ihnen unentgeltlich zur Verfügung gestellte Pkw. Frau van Putten und Herr Mook besitzen beide die niederländische Staatsangehörigkeit. Frau van Putten benutzte vorübergehend das in Belgien zugelassene Fahrzeug ihres Vaters zu privaten Zwecken und Herr Mook lieh sich das Fahrzeug eines in Deutschland wohnenden Familienmitglieds. Frau Frank ist Deutsche und benutzte das Fahrzeug eines Freundes, der in Deutschland wohnt.

Bei einer Kontrolle stellten die Beamten der niederländischen Finanzverwaltung fest, dass die Kläger in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Kfz geliehen hatten und diese in den Niederlanden benutzten, ohne die PM-Steuer gezahlt zu haben. Bei einer erneuten Kontrolle wurden sie unter denselben Umständen angetroffen und die niederländischen Behörden setzten gegen Frau van Putten Steuern i.H.v. 5.995 €, gegen Herrn Mook Steuern i.H.v. 1.859 € und gegen Frau Frank Steuern i.H.v. 6.709 € fest.

Da ihre Einsprüche gegen diese Bescheide von der niederländischen Finanzverwaltung zurückgewiesen wurden, riefen die Kläger die niederländischen Gerichte an. Der mit den verbundenen Rechtssachen letztinstanzlich befasste Oberste Gerichtshof der Niederlande fragt den EuGH, ob die PM-Steuer, die die Benutzungsdauer eines geliehenen Kfz auf dem niederländischen Straßennetz nicht berücksichtigt und erhoben wird, ohne dass die Betroffenen ein Recht auf Befreiung oder Erstattung geltend machen können, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die Gründe:
Das Unionsrecht steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der dessen Einwohner, wenn sie ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Kfz von einem Einwohner dieses anderen Mitgliedstaats geliehen haben, bei der erstmaligen Ingebrauchnahme dieses Fahrzeugs auf dem nationalen Straßennetz die Steuer, die normalerweise bei der Zulassung eines Kfz fällig wird, in voller Höhe zahlen müssen, ohne dass die Benutzungsdauer des Fahrzeugs berücksichtigt wird und ohne dass diese Personen ein Recht auf Befreiung oder Erstattung geltend machen können, wenn das Fahrzeug weder dazu bestimmt ist, im Wesentlichen dauerhaft im erstgenannten Mitgliedstaat benutzt zu werden, noch tatsächlich so benutzt wird.

Nach niederländischem Recht wird beim unentgeltlichen grenzüberschreitenden Verleih eines nicht in den Niederlanden zugelassenen Kfz die PM-Steuer von demjenigen geschuldet, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug hat, d.h. dass diese Art von Verleih besteuert wird. Dagegen wird nicht besteuert, wenn es sich um ein in den Niederlanden zugelassenes Kfz handelt. Diese offensichtliche Ungleichbehandlung aufgrund des Staates, in dem das verliehene Kfz zugelassen ist, ist geeignet, den unentgeltlichen grenzüberschreitenden Verleih von Kfz weniger attraktiv zu gestalten, so dass eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vorliegt.

Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mitgliedstaat ein Kfz, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, mit einer Zulassungssteuer belegen, wenn dieses Kfz im Gebiet des erstgenannten Mitgliedstaats im Wesentlichen dauerhaft genutzt werden soll. Im vorliegenden Fall mussten die Betroffenen den gesamten Betrag der PM-Steuer zahlen, ohne dass dabei die Benutzungsdauer der betreffenden Fahrzeuge berücksichtigt wurde und ohne dass die Benutzer dieser Fahrzeuge ein Recht auf Befreiung oder Erstattung geltend machen konnten. Und dies, obwohl aus den dem EuGH vorgelegten Akten nicht hervorgeht, dass diese Fahrzeuge dazu bestimmt sind, im Wesentlichen dauerhaft im Hoheitsgebiet der Niederlande benutzt zu werden, oder tatsächlich so benutzt werden.

Der Oberste Gerichtshof der Niederlande wird nun die Dauer der Leihe und die Art der tatsächlichen Verwendung der geliehenen Kfz zu beurteilen haben. Sind die nicht in den Niederlanden zugelassenen Kfz dazu bestimmt, im Wesentlichen in den Niederlanden benutzt zu werden, oder werden sie tatsächlich so benutzt, besteht nicht wirklich eine Ungleichbehandlung zwischen einem Einwohner in den Niederlanden, der ein solches Fahrzeug unentgeltlich benutzt, und der Person, die unter denselben Umständen ein in diesem Mitgliedstaat zugelassenes Kfz benutzt. Das letztgenannte Fahrzeug ist nämlich bereits bei seiner Zulassung in den Niederlanden mit der PM-Steuer belegt worden. Sind die Fahrzeuge dagegen nicht dazu bestimmt, im Wesentlichen dauerhaft in den Niederlanden benutzt zu werden, oder werden sie tatsächlich nicht so benutzt, bestünde eine tatsächliche Ungleichbehandlung und die fragliche Steuer wäre nicht gerechtfertigt.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 50 vom 26.4.2012
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