23.01.2025

Neue Gesellschafter bei einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft

Wird eine an der grundbesitzenden Personengesellschaft mittelbar beteiligte Personengesellschaft in die Gesellschafterstruktur eingefügt (Verlängerung der Beteiligungskette), ohne dass sich die Gesellschafter geändert haben, ist kein neuer Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 2a Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes hinzugekommen.

Kurzbesprechung
BFH v. 21.8.2024 - II R 16/22

GrEStG § 1 Abs 2a S 1, GrEStG § 1 Abs 2a S 2

Steuerpflichtige ist eine GmbH & Co. An ihr war die X KG mittelbar zu 100 % über eine Beteiligung an einer weiteren KG beteiligt. An der X KG waren bis einschließlich 16.12.2015 AB und CB in Höhe von jeweils 20 %, EG in Höhe von 20 %, MG in Höhe von 30 % und TG in Höhe von 10 % beteiligt.

In 2015 schenkte EG ihren Söhnen MG und TG jeweils hälftig ihren Anteil an der X KG, so dass MG nunmehr mit 40 %, TG nunmehr mit 20 % an der X KG beteiligt waren. Ebenfalls in 2015 wurde vereinbart, dass MG seinen Anteil an der X KG in Höhe von 40 % in die Y S.r.L. (Y), eine Kapitalgesellschaft italienischen Rechts, einbringt. Außerdem wurde vereinbart, dass TG seinen Anteil an der X KG in Höhe von 20 % in die Z S.r.L. (Z), ebenfalls eine Kapitalgesellschaft italienischen Rechts, einbringt. Schließlich kamen die Parteien überein, dass AB und CB ihre Anteile an der X KG in Höhe von jeweils 20 % in die am 20.10.2015 gegründete W KG einbringen. Kommanditisten der W KG mit einem Anteil in Höhe jeweils von 50 % waren AB und CB.

Im Klageverfahren entschied das FG, § 1 Abs. 2a GrEStG sei auf Ebene der X KG als mittelbare Beteiligung an der Steuerpflichtigen verwirklicht worden, da 100 % der Anteile an der Steuerpflichtigen mittelbar innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter übergegangen seien (40 % auf die Y, 20 % auf die Z und 40 % auf die W KG). Es sei für die Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG unerheblich, dass an der   KG AB und CB unmittelbar jeweils zu 50 % als Kommanditisten beteiligt seien und daher nach wie vor zumindest wirtschaftlich mittelbar eine insgesamt 40%ige Beteiligung an der Steuerpflichtigen hielten. Diesem Umstand werde durch die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Höhe von 40 % Rechnung getragen.

Im Revisionsverfahren hob der BFH die klageabweisende Entscheidung des FG sowie die Bescheide der Finanzverwaltung auf.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG).

Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm sind Personengesellschaften danach als transparent anzusehen. Bei mehrstöckigen Personengesellschaften ist auf allen Ebenen der beteiligten Personengesellschaften durchzuschauen und sind dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei sind nur diejenigen Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen relevant, durch die solche Rechtsträger neu beteiligt werden, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können (natürliche und juristische Personen außer Kapitalgesellschaften).

Bei mehrstöckigen Personengesellschaften hat sich durch die Einfügung des neuen Satz 2 in § 1 Abs. 2a GrEStG hinsichtlich der Beurteilung von mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft nichts geändert. Es ist weiterhin eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend.

Die Maßgeblichkeit wirtschaftlicher Gesichtspunkte schließt es danach aus, bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen die Beurteilung auf bestimmte Beteiligungsebenen der Personengesellschaft zu beschränken und die Beteiligungsverhältnisse auf höheren Beteiligungsebenen unberücksichtigt zu lassen. Wird eine an der grundbesitzenden Personengesellschaft mittelbar beteiligte Personengesellschaft in die Gesellschafterstruktur eingefügt, ohne dass sich die Rechtsträger, an denen keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen bestehen können, geändert haben, ist kein neuer Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft hinzugekommen. Die neu zwischengeschaltete, mittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft stellt selbst keinen "neuen Gesellschafter" im Sinne von § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG dar.

Es kommt auch nicht darauf an, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Nichterhebung der Steuer in dem Umfang vorsieht, in dem die Gesellschafter der ursprünglichen Personengesellschaft am Vermögen der neu mittelbar beteiligten Personengesellschaft beteiligt sind. § 6 GrEStG ist zwar auf alle steuerbaren Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG anwendbar, auch auf den fiktiven Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Vorschrift entfaltet ihre Wirkung allerdings nur bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft, die den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG erfüllen kann. Dies war im Streitfall nicht der Fall.

Das FG hatte die zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass für die Frage des Eintritts neuer Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG die Beurteilung der Änderung des Gesellschafterbestands auf die Ebene der X KG zu beschränken und die Beteiligungsverhältnisse an der W KG außer Acht zu lassen sind. Denn es waren nicht innerhalb von fünf Jahren mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen. Nach der Abtretung von jeweils 20 % der Anteile der AB und der CB an der X KG, die mittelbar an der Steuerpflichtigen zu 100 % beteiligt war, an die W KG, war die W KG an der Steuerpflichtigen mittelbar zu 40 % beteiligt. AB und CB waren an der W KG zu jeweils 50 % beteiligt, so dass sie auch nach der Abtretung ihrer Anteile an der X KG mittelbar zu 40 % an der Steuerpflichtigen beteiligt waren. Die W KG war durch die Abtretung der Anteile der AB und der CB zwar in die Beteiligungskette eingefügt worden (Verlängerung der Beteiligungskette). Neue Gesellschafter waren bei der grundbesitzenden Steuerpflichtigen jedoch nicht hinzugekommen, da durch die Personengesellschaften hindurchzuschauen ist. Gesellschafter der W KG waren AB und CB, die bereits vor der Abtretung ihrer Anteile an der Steuerpflichtigen mittelbar beteiligt waren. Die angefochtenen Bescheide waren danach rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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