10.09.2025

Nicht steuerbare Entnahme vor einem Verkauf zur Vermeidung von Umsatzsteuer?

Dipl.-Finanzwirt (FH) Matthias Ulbrich, Visselhövede

Wird ein dem Unternehmen zugeordneter Gegenstand, der ohne Recht auf Vorsteuerabzug erworben wurde, im Inland verkauft, ist dieser Umsatz umsatzsteuerbar und grundsätzlich auch -steuerpflichtig. Dagegen ist die Entnahme eines solchen Gegenstands gem. § 3 Abs. 1b UStG nicht umsatzsteuerbar. Ist es zulässig, einen Gegenstand zunächst (nicht steuerbar) zu entnehmen, um ihn gleich im Anschluss steuerlich unbeachtlich aus dem Privatvermögen zu verkaufen?

Praktische Fälle des Steuerrechts
Sachverhalt

A betreibt einen Handel mit Kfz-Teilen und Kfz-Zubehör. Im Jahr 2024 erwarb er einen Transporter für 22.000 € von einem Gebrauchtwagenhändler, der auf die Lieferung die Differenzbesteuerung i.S.d. § 25a UStG anwendete. Einen Vorsteuerabzug hat A nicht. Ende 2024 ließ A eine Teilerneuerung des Motors an dem Kfz durchführen, wobei diverse Ersatzteile für 4.000 € zzgl. Umsatzsteuer verbaut wurden. Aus diesen Kosten und laufenden Betriebskosten im Zeitraum von Jahresbeginn bis 30.6.2025 machte A Vorsteuerbeträge geltend.

Seit Mai 2025 inserierte A den Transporter auf Internet-Plattformen. Am 1.7.2025 veräußerte er ihn unter Verwendung eines Musterkaufvertrags für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kfz an B für 15.000 €, was dem Wert laut Schwacke-Liste entspricht, wobei ein StSem 2025, 280Anteil von 3.000 € noch auf den Zeitwert der verbauten Ersatzteile entfällt. Im Kaufvertrag wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte am 3.7.2025. Am selben Tag erfasste A in seiner Buchführung eine Entnahme ohne Umsatzsteuer.

a) A nutzt das Kfz ausschließlich unternehmerisch,
b) A nutzt das Fahrzeug zu 40 % unternehmerisch, im Übrigen privat,
c) wie a), nur erfolgte die Entnahme bereits am 1.2.2025.

Fragen

1. Liegt eine (ggf. nicht steuerbare) Entnahme vor, sodass der nachfolgende Verkauf des Kfz nicht mehr im Rahmen des Unternehmens erfolgt und daher nicht steuerbar ist?
2. Falls eine steuerbare Entnahme vorliegt, mit welchem Wert ist diese anzusetzen?

Antworten

1. a) Nein, es liegt keine vorherige Entnahme vor. Die Lieferung an B ist umsatzsteuerbar und -steuerpflichtig.

b) Sofern das Kfz dem Unternehmen zugeordnet wurde, wie a).

c) In diesem Fall liegt eine steuerbare Entnahme vor.

2. Die Bemessungsgrundlage beträgt bei c) 3.000 €.

Begründung

Entnahmen

Zu 1: Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus einem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, ist nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG nur dann einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt und damit im Inland steuerbar, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Dies ist bei dem Transporter nicht der Fall, weil bei der Lieferung an A die Differenzbesteuerung i.S.d. § 25a UStG angewandt wurde.

Nach der Rechtsprechung ist es jedoch zulässig, den Pkw, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hatte, vor der Veräußerung dem Unternehmen zu entnehmen. Nach einer Entnahme aus dem Unternehmen erfolgt ein etwaiger späterer Verkauf nicht mehr im Rahmen des Unternehmens und ist daher nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar.

Eingangsleistungen ausschließlich für das Unternehmen, ...

a) Eine Leistung, die ausschließlich für unternehmerische Zwecke bezogen wird, ist - unabhängig von deren Steuerbarkeit und einem etwaigen Vorsteuerabzug - vollständig dem Unternehmen zuzuordnen; es besteht ein Zuordnungsgebot (Abschn. 15.2c Abs. 1 Satz 1 UStAE).

Für eine - ggf. nicht umsatzsteuerbare - Entnahme vor einem Verkauf bedarf es allerdings objektiver Anhaltspunkte und einer gewissen Zeitspanne zwischen Entnahme und Verkauf. Der Umstand, dass die Entnahme zeitlich am gleichen Tag erfolgt sein soll, an dem auch die Lieferung an B erfolgte, spricht gegen eine Entnahme.

... teilunternehmerische Verwendung

b) Beabsichtigt der Unternehmer, einen einheitlichen Gegenstand wie einen Pkw sowohl für die unternehmerische als auch für die nichtunternehmerische Tätigkeiten zu verwenden (teilunternehmerische Verwendung), und besteht die nichtunternehmerische Tätigkeit in einer unternehmensfremden (privaten) Verwendung, hat der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand
  • insgesamt seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen,
  • in vollem Umfang in seinem nichtunternehmerischen Bereich belassen, oder
  • im Umfang der tatsächlichen (ggf. zu schätzenden) unternehmerischen Verwendung seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen (Abschn. 15.2c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE).


Die Dokumentation erfolgt regelmäßig bereits durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs (Abschn. 15.2c Abs. 16 Satz 6 UStAE). Ist ein Vorsteuerabzug wie hier nicht möglich, müssen andere Beweisanzeichen herangezogen werden. Eine Zuordnung zum Unternehmen darf jedoch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass A den Vorsteuerabzug aus Reparaturkosten des Pkw - ggf. im Umfang seiner unternehmerischen Nutzung - in Anspruch genommen hat, da die Steuerregelung für die Lieferung eines Investitionsguts nach Auffassung des EuGH von der für die steuerbaren Aufwendungen für seinen Gebrauch und seine Erhaltung zu trennen ist. Macht der Unternehmer für Aufwendungen, die durch die Verwendung des Gegenstands anfallen, dagegen zulässigerweise den vollen Vorsteuerabzug geltend und bezieht er im Gegenzug diese Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage einer für die nicht unternehmerische Verwendung des einheitlichen Gegenstands zu besteuernde unentgeltliche Wertabgabe ein, kann jedoch eine (vollständige) Zuordnung des Pkw zum unternehmerischen Bereich u.a. aus der Versteuerung der privaten Verwendung des Pkw abgeleitet werden.

Zudem kann die bilanzielle und ertragsteuerrechtliche Behandlung des Gegenstandes ein objektiv erkennbares Beweisanzeichen für die Zuordnung zum umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensvermögen sein (Abschn. 15.2c Abs. 17 Satz 6 UStAE m.w.N.), hier z.B. die Aktivierung von gewillkürtem Betriebsvermögen.

Fehlt es an objektiven Beweisanzeichen für eine Zuordnung, ist demgegenüber eine ausdrückliche Mitteilung an das Finanzamt innerhalb der Dokumentationsfrist erforderlich (Abschn. 15.2c Abs. 16 Satz 9 UStAE).

Sollte A demnach das Fahrzeug (vollständig) seinem Unternehmensvermögen zugeordnet haben, liegt keine (vorherige) nichtsteuerbare Entnahme (wie unter a)) vor. Der Verkauf an B wäre im Rahmen des Unternehmens und steuerbar. Hat A das Fahrzeug indessen nicht seinem Unternehmen zugeordnet, bedarf es keiner Entnahme. Die Veräußerung an B erfolgt dann nicht im Rahmen des Unternehmens und ist nicht steuerbar i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.

Entnahme vor Veräußerung

c) In diesem Fall erfolgte die Entnahme deutlich vor der Lieferung an B, insbesondere auch vor dem Inserieren im Internet. Bei Vorliegen objektiver Anhaltspunkte wie einer Erfassung in der Buchhaltung an dem Datum (nicht zu diesem Datum!), handelt es sich um eine einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellte Entnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG.

Bemessungsgrundlage für die Entnahme

Zu 2: Nach § 3 Abs. 1b UStG ist die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Falls an einem solchen Gegenstand nach seiner Anschaffung Arbeiten ausgeführt worden sind, die zum Einbau von Bestandteilen, für die der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt war, geführt haben, unterliegen bei einer Entnahme des Gegenstands nur diese Bestandteile der Umsatzbesteuerung (Abschn. 3.3 Abs. 2 Satz 2 UStAE). Bestandteile in dem Sinne sind gelieferte Gegenstände, die auf Grund ihres Einbaus ihre körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig verloren haben und zu einer dauerhaften, im Zeitpunkt der Entnahme nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung des Gegenstands geführt haben, wie z.B. eine nachträglich in einen Pkw eingebaute Klimaanlage (Abschn. 3.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Dagegen führen Dienstleistungen (sonstige Leistungen) nicht zu Bestandteilen des Gegenstands, selbst wenn hierfür zusätzlich kleinere Lieferungen von Gegenständen erforderlich sind wie z.B. bei Karosserie- und Lackarbeiten an einem Pkw (Abschn. 3.3 Abs. 2 Satz 4 UStAE m.w.N.). Der Einbau eines Bestandteils hat nur dann zu einer dauerhaften Werterhöhung geführt, wenn er nicht lediglich zur Werterhaltung des Gegenstands beigetragen hat und die Aufwendungen nicht unterhalb einer gewissen Bagatellgrenze liegen (Abschn. 3.3 Abs. 3 UStAE m.w.N.). Die Finanzverwaltung nimmt an, dass keine dauerhafte Werterhöhung des Gegenstands vorliegt, wenn die vorsteuerentlasteten Aufwendungen für den Einbau von Bestandteilen weder 20 % der ursprünglichen Anschaffungskosten des Gegenstands noch einen Betrag von 1.000 € übersteigen (Abschn. 3.3 Abs. 4 Satz 1 UStAE).

Das von A aufgewendete Entgelt für den Einbau der Teile überschreitet mit 4.000 € zwar nicht 20 % der ursprünglichen Anschaffungskosten von 22.000 €, aber den absoluten Betrag von 1.000 €. Die Entnahme des Transporters i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG unterliegt damit gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG mit dem Zeitwert von 3.000 € der Umsatzsteuer.

Anmerkung

Die Grundsätze sind gleichermaßen bedeutend, wenn das Kfz von einer Privatperson, einem Kleinunternehmer (bis 2024) oder umsatzsteuerfrei (z.B. von einem Versicherungsvertreter) erworben oder aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt wurde.

Verlag Dr. Otto Schmidt