Opfer von Trickbetrügern können Vermögensverlust nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen
FG Münster v. 2.9.2025 - 1 K 360/25 E
Der Sachverhalt:
Am 24.11.2022 hatte die damals 77-jährige Klägerin einen Anruf auf ihrem Festnetztelefon von einem vermeintlichen Rechtsanwalt erhalte. Dieser gab an, dass die Tochter der Klägerin einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe. Die deshalb drohende Untersuchungshaft könne aber durch Zahlung einer Kaution von 50.000 € vermieden werden. Die Klägerin hob daraufhin den entsprechenden Betrag bei ihrer Bank in bar ab und übergab ihn einem Boten. Nachdem sie den Trickbetrug durchschaut hatte, erstattete sie Strafanzeige. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt werden konnten.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2022 machte die Klägerin den Betrag von 50.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte zwar die Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung von sechs Objekten sowie Renteneinkünfte. Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen aus dem Betrugsverlust erkannte es allerdings nicht an. Es war der Ansicht, dass der Klägerin zumutbare Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trug die Klägerin in erster Linie vor, dass sie sich aufgrund der Täuschung in einer Zwangslage befunden habe.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Vermögensverlust konnte nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 EStG anerkannt werden.
Der Abzug der von der Klägerin an die Trickbetrüger gezahlten 50.000 € scheiterte bereits am Vorliegen einer Außergewöhnlichkeit, da sich bei der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hatte. Sie war Opfer einer Betrugsmasche geworden, die potenziell jeden treffen kann, auch wenn viele Angerufene den Betrugsversuch schnell durchschauten. Der Vermögensverlust war zudem nicht deshalb ausnahmsweise abzugsfähig, weil es sich um einen Gegenstand des lebensnotwendigen Bedarfs gehandelt hatte. Vielmehr hatte die Klägerin den Betrag als liquide Mittel zur Verfügung gehabt und war hierauf aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht lebensnotwendig angewiesen.
Außerdem fehlte es an der Zwangsläufigkeit. Hierbei konnte durchaus - unabhängig von der strafrechtlichen Einordnung der Tat als Betrug - die zu Erpressungen ergangene Rechtsprechung herangezogen werden, wonach eine zweistufige Prüfung vorzunehmen war. Danach scheidet eine Zwangsläufigkeit von vornherein aus, wenn sich das Opfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht hat. Dies war jedoch bei der vorliegend von den Tätern zufällig ausgewählten Klägerin nicht der Fall. Daher musste weiter geprüft werden, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten.
Da die Zwangslage objektiv zu beurteilen ist und hier keinerlei Gefahr für die Tochter der Klägerin vorgelegen hatte, war es der Klägerin objektiv zumutbar, zunächst mit ihrer Tochter oder der Polizei Kontakt aufzunehmen. Selbst wenn die vorgegebene Verhaftung der Tochter gedroht hätte, wäre es zumutbar gewesen, den Betrag nicht zu zahlen, da eine den rechtsstaatlichen Vorschriften entsprechende Anordnung der Untersuchungshaft in Deutschland keine Gefahr für Leib und Leben darstellt. Infolgedessen konnte die Frage der sittlichen Verpflichtung zur Übernahme der Kaution für die Tochter offen gelassen werden und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse mussten nicht aufgeklärt werden.
Da die Frage der steuerlichen Behandlung von Betrugsopfern bei Schockanrufen eine Vielzahl von Steuerpflichtigen betrifft und höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist, wurde die Revision zugelassen.
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Justiz NRW
Am 24.11.2022 hatte die damals 77-jährige Klägerin einen Anruf auf ihrem Festnetztelefon von einem vermeintlichen Rechtsanwalt erhalte. Dieser gab an, dass die Tochter der Klägerin einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe. Die deshalb drohende Untersuchungshaft könne aber durch Zahlung einer Kaution von 50.000 € vermieden werden. Die Klägerin hob daraufhin den entsprechenden Betrag bei ihrer Bank in bar ab und übergab ihn einem Boten. Nachdem sie den Trickbetrug durchschaut hatte, erstattete sie Strafanzeige. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt werden konnten.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2022 machte die Klägerin den Betrag von 50.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte zwar die Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung von sechs Objekten sowie Renteneinkünfte. Die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen aus dem Betrugsverlust erkannte es allerdings nicht an. Es war der Ansicht, dass der Klägerin zumutbare Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trug die Klägerin in erster Linie vor, dass sie sich aufgrund der Täuschung in einer Zwangslage befunden habe.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Vermögensverlust konnte nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 EStG anerkannt werden.
Der Abzug der von der Klägerin an die Trickbetrüger gezahlten 50.000 € scheiterte bereits am Vorliegen einer Außergewöhnlichkeit, da sich bei der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hatte. Sie war Opfer einer Betrugsmasche geworden, die potenziell jeden treffen kann, auch wenn viele Angerufene den Betrugsversuch schnell durchschauten. Der Vermögensverlust war zudem nicht deshalb ausnahmsweise abzugsfähig, weil es sich um einen Gegenstand des lebensnotwendigen Bedarfs gehandelt hatte. Vielmehr hatte die Klägerin den Betrag als liquide Mittel zur Verfügung gehabt und war hierauf aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht lebensnotwendig angewiesen.
Außerdem fehlte es an der Zwangsläufigkeit. Hierbei konnte durchaus - unabhängig von der strafrechtlichen Einordnung der Tat als Betrug - die zu Erpressungen ergangene Rechtsprechung herangezogen werden, wonach eine zweistufige Prüfung vorzunehmen war. Danach scheidet eine Zwangsläufigkeit von vornherein aus, wenn sich das Opfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht hat. Dies war jedoch bei der vorliegend von den Tätern zufällig ausgewählten Klägerin nicht der Fall. Daher musste weiter geprüft werden, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten.
Da die Zwangslage objektiv zu beurteilen ist und hier keinerlei Gefahr für die Tochter der Klägerin vorgelegen hatte, war es der Klägerin objektiv zumutbar, zunächst mit ihrer Tochter oder der Polizei Kontakt aufzunehmen. Selbst wenn die vorgegebene Verhaftung der Tochter gedroht hätte, wäre es zumutbar gewesen, den Betrag nicht zu zahlen, da eine den rechtsstaatlichen Vorschriften entsprechende Anordnung der Untersuchungshaft in Deutschland keine Gefahr für Leib und Leben darstellt. Infolgedessen konnte die Frage der sittlichen Verpflichtung zur Übernahme der Kaution für die Tochter offen gelassen werden und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse mussten nicht aufgeklärt werden.
Da die Frage der steuerlichen Behandlung von Betrugsopfern bei Schockanrufen eine Vielzahl von Steuerpflichtigen betrifft und höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist, wurde die Revision zugelassen.
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