20.11.2025

Pflicht zur elektronischen Kommunikation auch bei Klageanbringung beim Finanzamt

Die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eröffnete Möglichkeit, die Klage fristwahrend bei der Finanzbehörde anzubringen, befreit sogenannte professionelle Einreicher nicht von der Pflicht, die in § 52d i.V.m. § 52a FGO geregelten Formvorgaben zu wahren.

Kurzbesprechung
BFH v. 7.10.2025 - IX R 7/24

FGO § 47 Abs 2 S 1, FGO § 52a, FGO § 52d, FGO § 55 Abs 1

Streitig war, ob die Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) auch im Fall der Anbringung der Klage bei einer Finanzbehörde nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO besteht. Der BFH hat dies ausdrücklich bejaht.

Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Klage beim Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Davon abweichend sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 253 Abs. 4 der Zivilprozessordnung sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO genannten, in das eingetragenen Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. § 49) StBerG steht seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO-das beSt-zur Verfügung. Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften sind seit dem 01.01.2023 verpflichtet, das beSt zu nutzen.

Im Streitfall war die Berufsausübungsgesellschaft grundsätzlich verpflichtet, zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Juni 2023 das beSt zu nutzen. Der Umstand, dass sie die Klage grundsätzlich fristwahrend nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO beim FA angebracht hatte, entpflichtete sie nicht, die nach § 52d Satz 2 i.V.m. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO gebotenen formalen Anforderungen einzuhalten.

Dies ergibt sich zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des Normgefüges, allerdings aus dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Kontext des § 47 Abs. 2 FGO und dem Willen des Gesetzgebers zur Förderung der verpflichtenden elektronischen Kommunikation in einem gerichtlichen Verfahren.

Der Wortlaut der betroffenen Normen spricht weder eindeutig für noch gegen eine Pflicht, eine Klage, die abweichend zu § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO durch einen Steuerberater bei einer Finanzbehörde angebracht wird, elektronisch zu übermitteln. Sinn und Zweck des § 47 Abs. 2 FGO sowie dessen systematischer Kontext sprechen jedoch eindeutig dafür, die Anbringung einer Klage bei der Finanzbehörde den formalen Anforderungen des § 52d Satz 2, § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zu unterwerfen.

Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, mit § 52a, § 52d FGO die verpflichtende elektronische Kommunikation durch "professionelle Verfahrensbeteiligte" umfassend zu regeln und nicht länger an der freiwilligen elektronischen Kommunikation festzuhalten. Diesem Willen steht entgegen, § 52d FGO im Rahmen des § 47 Abs. 2 FGO nicht zu beachten.

Zum einen wäre die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung leicht zu umgehen, wenn insoweit formfrei Klage erhoben werden könnte. Zum anderen würde die mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs intendierte Vereinfachung des Finanzgerichtsprozesses, die auch der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) und Verfahrensbeschleunigung dient, in Frage gestellt.
Verlag Dr. Otto Schmidt