22.07.2021

Private Veräußerungsgeschäfte - Keine Besteuerung des auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinns

Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt.

Kurzbesprechung
BFH v. 1.3.2021 - IX R 27/19

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 S. 1, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 Alt 1, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 Alt. 2

Streitig war, ob ein Gewinn aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung als sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen ist, soweit er auf den Bereich des häuslichen Arbeitszimmers entfällt.

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Dazu gehören gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Die Freistellung bewirkt eine Rückausnahme von der ausnahmsweisen, den Grundsatz der im Dualismus der Einkunftsarten verankerten Nichtsteuerbarkeit von Wertveränderungen privater Wirtschaftsgüter durchbrechenden Steuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte.

Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" setzt in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Ausreichend ist, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutzt; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt.

Eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.

Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält.

Nach diesen Grundsätzen liegt eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch hinsichtlich eines in der --im Übrigen selbst bewohnten-- Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor. Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch die Gesetzesbegründung und der Gesetzeszweck bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung ausnehmen wollte.

Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" umschreibt --nach seinem Grundverständnis-- einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneten Lebenssachverhalt. Diese Eigenschaften sind in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft und sprechen deshalb dafür, dass dieses --zumindest zeitweise-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers ist nicht überprüfbar und daher nicht vollständig auszuschließen. Entsprechend versteht die Rechtsprechung den Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers dahin, dass ein solches bereits dann vorliegt, wenn der jeweilige Raum nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Arbeitszimmer verbleibt somit schon nach dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Auch bei einer nahezu ausschließlichen Nutzung des in die häusliche Sphäre eingebundenen Arbeitszimmers für betriebliche/berufliche Tätigkeiten kann daher unterstellt werden, dass es im Übrigen --also zu weniger als 10 %-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.

Der Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich; denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG enthält in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze. Dem entsprechend genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um (typisierend) davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Norm genutzt wird.

Bestätigung findet diese Auslegung im Gesetzeszweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Wenn der Gesetzgeber die Besteuerung im Fall einer Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen eines Arbeitsplatzwechsels) für nicht gerechtfertigt hält, trifft diese Erwägung auf das häusliche Arbeitszimmer als Teil des im Zuge des Wohnsitzwechsels veräußerten Wohneigentums gleichermaßen zu. Auch insofern liegen eigene Wohnzwecke vor, die allein von fremden Wohnzwecken (wie der Fremdvermietung eines Zimmers in der Wohnung) abzugrenzen sind.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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