20.09.2019

Rechtsstreit gegen einen Duldungsbescheid der Finanzbehörde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Wenn der Rechtsstreit gegen den Duldungsbescheid des Finanzamtes nicht mehr anhängig ist, kann der Insolvenzverwalter das Verfahren nicht mehr aufnehmen. Hat das FG die Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid als unbegründet abgewiesen, kommt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Insolvenzverwalter nach § 727 ZPO nicht in Betracht.

BFH v. 24.7.2019 - VII B 65/19
Der Sachverhalt:
Das Finanzamt hatte als Anfechtungsgläubiger einen Duldungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. §§ 1, 2, 3 Abs. 2, 4 und 11 AnfG erlassen und die Duldung der Vollstreckung in den dem Ehemann der Klägerin ursprünglich gehörenden Anteil an einer Partnerschaftsgesellschaft begrenzt. Die Klägerin hat die Bescheide daraufhin angefochten und ist mit ihrer Klage in allen Instanzen gescheitert. Über das Vermögen des Ehemannes war zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Daraufhin beantragte der Insolvenzverwalter unter Hinweis auf § 727 ZPO die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des FG-Urteils aus März 2017. Er war der Ansicht, er sei in Bezug auf den streitgegenständlichen Anfechtungsanspruch Rechtsnachfolger des Finanzamtes. Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG sei ausschließlich der Insolvenzverwalter berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen materiell-rechtlichen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Den vormaligen Klageantrag könne er nach Maßgabe der §§ 143, 144 und 146 InsO erweitern. Das gelte auch bei Vorliegen eines Duldungsbescheids. Die Anfechtungsklage werde zur Leistungsklage des Insolvenzverwalters. Wenn das Klageverfahren des Insolvenzgläubigers bereits abgeschlossen worden sei und aus Sicht des Gläubigers Erfolg gehabt habe, könne die Vollstreckungsklausel auf den Insolvenzverwalter gem. § 727 ZPO als Rechtsnachfolger umgeschrieben werden.

Das FG lehnte den Antrag als unbegründet ab. § 727 ZPO sei demnach nicht anwendbar. Das Finanzamt vollstrecke nicht aus dem klageabweisenden Urteil, sondern aus dem Verwaltungsakt. Der BFH wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.

Gründe:
Der Insolvenzverwalter kann nicht die Beteiligtenstellung des Finanzamtes erlangen. Vielmehr muss er den Klageantrag umstellen, weil sich sein Anspruch auf Herausgabe des betroffenen Gegenstandes an die Insolvenzmasse richtet.

Im vorliegenden Fall kamen diese Grundsätze nicht zum Tragen, weil das Verfahren vor dem FG bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr anhängig war. Der Antragsteller konnte mithin das Verfahren nicht mehr aufnehmen und den Klageantrag nicht mehr umstellen. Aus dem FG-Urteil selbst kann der Antragsteller nicht vollstrecken, weil der Tenor keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Deshalb begehrt der Antragsteller, wenn er eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils beantragt, im Ergebnis eine Umschreibung des Tenors - ohne das ihm die Umstellung des Klageantrags noch möglich ist. Eine solche nachträgliche Umschreibung des rechtskräftigen Urteils sieht die FGO nicht vor.

An diesem Ergebnis vermag auch der allgemeine Verweis in § 155 FGO auf die Vorschriften der ZPO nichts zu ändern. Denn auch die Vorschrift des § 727 ZPO gestattet keine Umschreibung des vorliegenden Tenors. Soweit ein Titel mangels eines vollstreckbaren Inhalts nicht klauselfähig ist, kann § 727 ZPO keine Anwendung finden. Nur wenn ein Urteil einen vollstreckbaren Inhalt hat, kann es mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden. Daran fehlt es im Streitfall.

Auch der vom FG aufgezeigte Weg, dem Finanzamt die Vollstreckung aus dem Duldungsbescheid zu gestatten und damit die Möglichkeit der Anordnung der Auszahlung des Erlangten zu eröffnen, ist nicht gangbar. Denn die Vorschriften des AnfG lassen nicht zu, dass der Insolvenzverwalter den Rückgewähranspruch "freigibt" mit der Folge, dass der Anspruch vor Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterverfolgt werden kann.

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