06.05.2014

Richtervorlage zum Entfallen eines Verlustvortrags nach einem sog. Mantelkauf ist unzulässig

Das BVerfG hat die Unzulässigkeit der Richtervorlage zum Entfallen eines Verlustvortrags nach einem sog. Mantelkauf festgestellt. Die BFH-Richter hätten sich nicht ausreichend mit ihrer eigenen einschlägigen Rechtsprechung und mit der herangezogenen Verfassungsrechtsprechung auseinandergesetzt.

BVerfG 1.4.2014, 2 BvL 2/09
Der Sachverhalt:
Das KStG gewährt unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Verlust aus dem laufenden Jahr in späteren Jahren gewinnmindernd geltend zu machen (sog. Verlustvortrag). Zu diesem Zweck wird der am Schluss des jeweiligen Veranlagungszeitraums nicht ausgeglichene Verlust als sog. "verbleibender Verlustvortrag" gesondert festgestellt. Nach dem früheren § 8 Abs. 4 KStG setzte die Berechtigung zum Verlustvortrag u.a. die wirtschaftliche Identität mit der Gesellschaft voraus, die den Verlust erlitten hatte. Dadurch sollte verhindert werden, dass durch Veräußerung von Geschäftsanteilen einer im Wesentlichen vermögenslosen Kapitalgesellschaft (d.h. eines Mantels) - wirtschaftlich betrachtet - Verlustvorträge verkauft werden konnten.

Im Jahr 1997 wurden die Kriterien verschärft. Seitdem liegt wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Unschädlich ist jedoch eine Zuführung neuen Betriebsvermögens zur Sanierung des Geschäftsbetriebs, der dann in den folgenden fünf Jahren in vergleichbarem Umfang fortgeführt werden muss. § 54 Abs. 6 KStG enthält zudem eine Übergangsvorschrift: Sie ist im Grundsatz erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden, ausnahmsweise aber dann erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität zwischen dem 1.1. und dem 5.8.1997 (Tag des Gesetzesbeschlusses) eingetreten ist.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine GmbH. Das Finanzamt hatte einen auf das Jahresende 1996 festgestellten verbleibenden Verlustvortrag im Jahr 1997 nicht berücksichtigt. Die anschließende Klage führte zu einem Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des BFH. Demnach sei die Klägerin nach der verschärften Verlustabzugsbeschränkung des § 8 Abs. 4 S. 2 KStG mit der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erlitten habe, wirtschaftlich nicht mehr identisch. Diese Regelung sei wegen der Übergangsvorschrift bereits für das Jahr 1997 anzuwenden. Der Verlust der wirtschaftlichen Identität sei vor dem 1.1.1997 eingetreten, so dass der Ausnahmetatbestand nicht eingreife. Aufgrund dieser Ungleichbehandlung hielt der BFH die Übergangsvorschrift für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG.

Das BVerfG hielt die Richtervorlage für unzulässig.

Die Gründe:
Die Vorlage genügte nicht den Anforderungen, die an die Begründung einer solchen nach Art. 100 Abs. 1 GG zu stellen sind. Zwar wurde die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hinreichend dargelegt. Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm reichten jedoch nicht aus.

So hatten die BFH-Richter sich nicht ausreichend mit ihrer eigenen einschlägigen Rechtsprechung und mit der im Ergänzungsbeschluss herangezogenen Verfassungsrechtsprechung auseinandergesetzt. Der BFH wich im Vorlagebeschluss gleich in mehrfacher Hinsicht von Wertungen der eigenen Rechtsprechung ab, ohne diese Abweichungen zu thematisieren. Dies betraf insbesondere das Urteil des vorlegenden I. Senats vom 27.8.2008 (Az.: I R 78/01), das die Anwendung von § 8 Abs. 4 KStG auf einen Fall betraf, in dem der Verlust der wirtschaftlichen Identität zwischen dem 1.1. und dem 5.8.1997 eingetreten war.

In diesem Urteil entschied der BFH, es stehe der Versagung des Verlustabzugs im Jahr 1998 nicht entgegen, dass das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag für 1997 positiv festgestellt habe. Abweichend hiervon leitete der I. Senat jedoch im vorgelegten Verfahren aus dem Ablauf mindestens eines Veranlagungszeitraums und dem Erlass eines rechtmäßigen Verlustfeststellungsbescheids eine schutzwürdige Bekräftigung von Vertrauen für das Folgejahr her.

Im gleichen Urteil nahm der vorlegende I. Senat an, die Anwendung der verschärften Regelung für das Jahr 1998 greife nicht in rechtsstaatlich unzulässiger Weise in bereits abgeschlossene Sachverhalte ein und verletze das Vertrauen der beteiligten Steuerpflichtigen nicht. Wenn demnach Vertrauensschutz allenfalls in Bezug auf den Veranlagungszeitraum besteht, in dem die Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen werden, hätte der Gesetzgeber diesem Vertrauen mit der Übergangsvorschrift ausreichend Rechnung getragen. Bei Umstrukturierungen vor 1997 hätte schutzwürdiges Vertrauen allenfalls im Jahr der Umstrukturierung, nicht aber noch im Jahr 1997 bestanden, so dass gerade keine Vergleichbarkeit beider Fallgruppen vorlag.

Das weitere Argument des BFH im Vorlagebeschluss, es könne nicht unterstellt werden, dass die Neuregelung diese Unternehmen wirtschaftlich weniger hart treffe, weil sie Verluste möglicherweise noch nicht hätten nutzen können, vernachlässigte die sich aufdrängende Frage, inwieweit das Interesse von Unternehmen an einer tatsächlichen oder gar bestmöglichen Nutzung von Verlusten in späteren Veranlagungszeiträumen überhaupt schutzwürdig ist.

Im Ergänzungsbeschluss ging der BFH von der BVerfG-Rechtsprechung zur Vereinbarkeit einer unechten Rückwirkung mit den Grundsätzen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes aus. Der vorlegende I. Senat ging allerdings nicht der naheliegenden Frage nach, ob eine etwaige überschießende Wirkung wegen der im Steuerrecht bestehenden Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung - hier: der typisierenden Bekämpfung von missbräuchlichen Gestaltungen - verfassungsrechtlich sowohl für Neufälle als auch für Altfälle hingenommen werden kann. Zudem fehlte es an einer ausreichenden Darlegung der Vergleichbarkeit des Sachverhalts, der der herangezogenen Verfassungsrechtsprechung zugrunde lag, mit der hier zu beurteilenden Fallgestaltung.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 41 vom 6.5.2014
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