22.07.2015

Schätzungsmethode des "Zeitreihenvergleichs" nur unter Einschränkungen zulässig

Die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs setzt voraus, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Es darf zudem im maßgebenden Zeitraum nicht zu solchen Änderungen in der Betriebsstruktur gekommen sein, die - nicht anderweitig behebbare - wesentliche Unsicherheiten bei der Aufstellung und Interpretation des Zahlenwerks mit sich bringen.

BFH 25.3.2015, X R 20/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger betrieb von 1996 bis zum Frühjahr 2002 und erneut ab dem Frühjahr 2003 eine Schank- und Speisewirtschaft in Räumen, die er von einer Brauerei angemietet hatte. Die Klägerin, seine Ehefrau, war im Betrieb angestellt. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Den größten Teil seiner Bareinnahmen rechnete er über eine elektronische Registrierkasse ab. Daneben führte er für die Thekeneinnahmen eine von der Registrierkasse getrennte Barkasse.

Im Rahmen einer Außenprüfung beanstandete der Prüfer die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung. Er erhöhte die vom Kläger erklärten Erlöse um Hinzuschätzungen, für deren Höhe er sich auf einen sog. "Zeitreihenvergleich" stützte. Das Finanzamt erließ entsprechend geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2001 und 2003.

Die Kläger wehrten sich gegen den vom Finanzamt durchgeführten Zeitreihenvergleich. Das FG wies die Klage dahingehend ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hatte im Ergebnis zwar zutreffend erkannt, dass wegen vorhandener Mängel in der Buchführung des Klägers dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis bestand. Der Zeitreihenvergleich weist allerdings im Vergleich zu anderen Verprobungs- und Schätzungsmethoden besondere Problembereiche auf, die seine Anwendbarkeit sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Übernahme des sich aus einem Zeitreihenvergleich ergebenden "Mehrergebnisses" als Betrag der Hinzuschätzung der Höhe nach einschränken. Diese Einschränkungen hatte das FG hier nicht in vollem Umfang beachtet.

Die Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs wird von der Finanzverwaltung im Rahmen von Außenprüfungen insbesondere bei Gastronomiebetrieben zunehmend häufig angewandt. Dabei handelt es sich um eine mathematisch-statistische Verprobungsmethode, bei der die jährlichen Erlöse und Wareneinkäufe des Betriebs in kleine Einheiten - regelmäßig in Zeiträume von einer Woche - zerlegt werden. Für jede Woche wird sodann der Rohgewinnaufschlagsatz (das Verhältnis zwischen Erlösen und Einkäufen) ermittelt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der höchste Rohgewinnaufschlagsatz, der sich für einen beliebigen Zehn-Wochen-Zeitraum ergibt, auf das gesamte Jahr anzuwenden ist. Dadurch werden rechnerisch zumeist erhebliche Hinzuschätzungen zu den vom Steuerpflichtigen angegebenen Erlösen ausgewiesen.

Diese Schätzungsmethode wird nunmehr nur unter folgenden Einschränkungen zugelassen:

  • Das Verhältnis zwischen Erlösen und Wareneinkäufen im Betrieb muss über das ganze Jahr hinweg weitgehend konstant sein.
  • Bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung ist der Zeitreihenvergleich zum Nachweis materieller Mängel der Buchführung von vornherein ungeeignet.
  • Ist die Buchführung zwar formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden vorrangig.
  • Auch wenn solche anderen Schätzungsmethoden nicht zur Verfügung stehen, dürfen die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs nicht unbesehen übernommen werden, sondern können allenfalls einen Anhaltspunkt für eine Hinzuschätzung bilden.
  • Nur wenn die materielle Unrichtigkeit der Buchführung bereits aufgrund anderer Erkenntnisse feststeht, können die Ergebnisse eines - technisch korrekt durchgeführten - Zeitreihenvergleichs auch für die Höhe der Hinzuschätzung herangezogen werden.

Schließlich war in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass beim Einsatz eines programmierbaren Kassensystems bereits das Fehlen der hierfür aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Betriebsanleitung, Programmierprotokolle) einen formellen Mangel der Buchführung darstellt, der grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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BFH PM Nr. 51 vom 22.7.2015
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