11.06.2014

Schweigegeld nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen

Hat ein Steuerpflichtiger durch sein frei gewähltes Verhalten selbst eine wesentliche Ursache für eine gegen ihn gerichtete Erpressung gesetzt (hier: nicht gezahlte Einfuhrumsatzsteuer), so können daraufhin gezahlte Erpressungsgelder nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG steuerlich berücksichtigt werden. Ein so vom Steuerpflichtigen selbst und ohne Zwang geschaffener Erpressungsgrund nimmt der Zahlung der Erpressungsgelder regelmäßig die Zwangsläufigkeit i.S.d. § 33 EStG.

FG Rheinland-Pfalz 1.4.2014, 5 K 1989/12
Der Sachverhalt:
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 u.a. Aufwendungen für ein "Ermittlungsverfahren wegen Erpressung" i.H.v rd. 14.500 € (inkl. Anwaltskosten) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Zur Begründung schilderten sie folgenden Sachverhalt:

Im April 2005 hätten sie im Rahmen eines Auslandsurlaubs einen Teppich gekauft, der auch wenige Monate später geliefert worden sei. Sechs Jahre später habe die ausländische Lieferfirma bei ihnen angerufen und mitgeteilt, dass im Rahmen einer Prüfung durch Zoll- und Finanzbehörde festgestellt worden sei, das sie - die Kläger - bei der Ausreise seinerzeit keine Erklärung beim Zoll abgegeben hätten. Der Zoll werde nun den Teppich konfiszieren und ein Strafgeld von 7.000 € kassieren, was die Kläger allerdings verhindern könnten, wenn sie das Geld über die "Western Union" versenden würden. Da man sie - so die Kläger - massiv unter Druck gesetzt habe, hätten sie zwei Überweisungen vorgenommen. Nach Auskunft ihrer Bank sei der eine Betrag schon fünf Minuten nach der Einzahlung abgehoben worden. Im Dezember 2011 hätten sie Strafanzeige erstattet und ihre Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2011 ab.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass die von den Klägern gezahlten "Erpressungsgelder" nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG berücksichtigt werden können.

Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die wegen ihrer Außergewöhnlichkeit nicht pauschal in allgemeinen Entlastungsbeträgen (z.B. dem Grund- oder Kinderfreibetrag, Kindergeld usw.) berücksichtigt werden können. Kosten, die einem Steuerpflichtigen als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen, stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Dementsprechend sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen nach § 33 EStG zwangsläufig angefallen sind, die Ursachen zu erforschen.

Entscheidend ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Hat diese ihren Ursprung in der vom Einzelnen gestalteten Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht. Es ist insbes. nicht entscheidend, ob sich der Steuerpflichtige subjektiv zu dieser Handlung verpflichtet gefühlt hat. Kommt ein alternatives Handeln in Betracht, das nicht zu Aufwendungen führt, fehlt es an der Zwangsläufigkeit, es sei denn, diese anderen Handlungsmöglichkeiten sind dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar.

Für Erpressungsgelder folgt daraus, dass zwischen den Fallgruppen zu unterscheiden ist, in denen der Steuerpflichtige durch sein frei gewähltes Verhalten selbst eine wesentliche Ursache für eine Erpressung bereitet hat, und jenen, in denen es an einem solchen Verhalten fehlt. Der letztere Fall kann in Betracht kommen, wenn ein Steuerpflichtiger allein aufgrund des Umstandes, dass er wohlhabend ist, zum Opfer einer Erpressung wird, bei der Angehörige oder andere nahe stehende Personen mit dem Tod oder einem anderen empfindlichen Übel bedroht werden. Anders liegt der Fall dagegen, wenn sich der Steuerpflichtige strafbar oder sonst sozialwidrig verhalten oder gegen die von ihm selbst oder von ihm nahestehenden Personen für verbindlich anerkannten Verhaltensmaximen verstoßen hat. Ein auf diese Weise vom Steuerpflichtigen selbst und ohne Zwang geschaffener Erpressungsgrund nimmt der Zahlung der Erpressungsgelder regelmäßig die Zwangsläufigkeit i. S. des § 33 EStG.

Vor diesem Hintergrund sind die von den Klägern aufgewendeten Beträge nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Denn die Erpressung gründet letztlich darauf, dass die Kläger seinerzeit (2005) die gesetzlich geschuldete Einfuhrumsatzsteuer für den Teppich nicht entrichtet haben. Auf diesem Steuervergehen basiert letztlich der gegen sie (angeblich) gerichtete Erpressungsversuch im Jahr 2011. Zudem hätten die Kläger auch durch eine umgehende Selbstanzeige bei der zuständigen Zollbehörde und/oder einen rechtzeitigen Strafantrag gegen die Erpresser die Zahlung der "Erpressungsgelder" ohne Not abwenden können.

FG Rheinland-Pfalz PM vom 11.6.2014
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