02.01.2020

Sind nicht verbrauchte Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV in einer Summe beim Erblasser in dessen Todesjahr (entgegen R 21.1 Abs. 6 EStR 2012) abzuziehen?

Der Senat sieht die hier zu entscheidende Rechtsfrage zwar durch den BFH als weitgehend geklärt an. Jedoch geht die Finanzverwaltung in der Richtlinienbestimmung des R 21.1 Abs. 6 EStR weiterhin von der gegenteiligen Beurteilung aus. Des Weiteren ist die einschlägige BFH-Entscheidung zum Fall des Vorbehaltsnießbrauchers im Verhältnis zum Eigentümer und nicht zur vorliegenden Konstellation eines "einfachen" Erbfalls ergangen (auch wenn in der Entscheidung des BFH ausdrückliche Ausführungen auch zur vorliegenden Konstellation enthalten sind).

FG Münster v. 11.10.2019 - 10 K 3350/18 E
Der Sachverhalt:
Der im Januar 2018 verstorbene Ehemann der Klägerin war Eigentümer eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks. Aus diesem erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Objekt ging mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft über, die aus der Klägerin und drei weiteren Personen bestand.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 erklärte die Klägerin für ihren verstorbenen Ehemann Einkünfte aus dem vorgenannten Objekt und zwar i.H.v. ./.32.829 €. Als Werbungskosten gab sie die nicht verbrauchten Beträge von Erhaltungsaufwendungen an, welche ihr verstorbener Ehemann in den Vorjahren verausgabt und für die er jeweils nach § 82b EStDV eine Verteilung auf mehrere Jahre beantragt hatte. Die angegebenen Abzugsbeträge beliefen sich auf zusammen 33.318 €. Zudem gab sie weitere Werbungskosten von zusammen 681 € an.

Fortan stritt die Klägerin mit dem Finanzamt darüber, ob die noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV in einer Summe beim Erblasser abziehbar sind oder die Verteilung nach § 82b EStDV beim Erben fortgeführt wird. Die Klägerin machte geltend, bei ihrem verstorbenen Ehemann seien im Streitjahr die vollständigen noch nicht verbrauchten Restbeträge der Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV abzuziehen. Die anderslautende Auffassung der Finanzverwaltung in R 21.1 Abs. 6 EStR sei unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 13.3.2018 (Az.: IX R 22/17) und des BFH-Beschlusses vom 25.9.2017 (Az.: IX S 17/17) nicht zutreffend. Eine ausdrückliche Regelung für die Überleitung von nach § 82b EStDV noch nicht abgezogenen Erhaltungsaufwendungen auf den Rechtsnachfolger im Falle eines Erbfalls gebe es nicht.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az.: IX R 31/19 anhängig.

Die Gründe:
Die Klägerin machte zu Recht geltend, dass im Streitjahr bei den Einkünften ihres verstorbenen Ehemannes aus der Vermietung des in Rede stehenden Objekts die noch nicht verbrauchten Beträge der Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV als Werbungskosten abzuziehen sind.

Der BFH ist in seinem Urteil vom 13.3.2018 und Beschluss vom 25.9.2017  (s.o.) davon ausgegangen, dass von einem Steuerpflichtigen getragene Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV bei seinem Tod nicht auf seinen oder seine Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen und dann bei diesen abziehbar sind. Der verbliebene Teil der Erhaltungsaufwendungen sei vielmehr beim Erblasser im Veranlagungszeitraum seines Todes bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.

Dem Finanzamt ist zwar darin zuzustimmen, dass die vorgenannte Entscheidung des BFH zu einem Fall ergangen ist, in dem die dortige Erblasserin die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Vorbehaltsnießbraucher erzielt hatte. Es handelt sich damit letztlich um einen anderen Sachverhalt als er dem vorliegenden Streitfall zugrunde liegt. Allerdings hat der BFH in der Begründung seines Urteils ausdrücklich auch allgemein dazu ausgeführt, welche Folgen der Tod eines Steuerpflichtigen auf von ihm zuvor getragene, aber noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV hat.

Infolgedessen geht der Senat davon aus, dass der BFH die o.g. Folgen nicht nur im Fall des Vorbehaltsnießbrauchs annimmt, sondern er vielmehr allgemein die Konstellation, dass ein verstorbener Steuerpflichtiger Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV getragen und diese nach der vorgenannten Vorschrift noch nicht verbraucht sind, in der o.g. Weise beurteilt. Danach gehen die noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV nicht auf den Erben über, sondern sind in voller Höhe beim Erblasser in dem Veranlagungszeitraum abziehbar, in dem er verstorben ist. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung und hält sie für zutreffend. Die vom Finanzamt angeführte anderslautende Bestimmung in den Einkommensteuerrichtlinien (R 21.1 Abs. 6 EStR) hält der Senat demgegenüber nicht für zutreffend. Somit waren beim verstorbenen Ehemann der Klägerin die von ihm vor seinem Tod getragenen und noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV im Streitjahr mit den gesamten jeweiligen Restbeträgen abziehbar.

Der Senat sieht die hier zu entscheidende Rechtsfrage zwar durch den BFH als weitgehend geklärt an. Jedoch geht die Finanzverwaltung in der Richtlinienbestimmung des R 21.1 Abs. 6 EStR weiterhin von der gegenteiligen Beurteilung aus. Des Weiteren ist die einschlägige BFH-Entscheidung zum Fall des Vorbehaltsnießbrauchers im Verhältnis zum Eigentümer und nicht zur vorliegenden Konstellation eines "einfachen" Erbfalls ergangen (auch wenn in der Entscheidung des BFH ausdrückliche Ausführungen auch zur vorliegenden Konstellation enthalten sind).
 
FG Münster online
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