12.01.2023

Sofortabzug von Mieterabfindungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

1. Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Aufwendungen, die durch die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen lediglich (mit-)veranlasst sind, unterfallen nicht § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.
2. Eine Abfindung, die der Steuerpflichtige für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung an seinen Mieter zahlt, um das Gebäude umfangreich renovieren zu können, gehört nicht zu den Aufwendungen i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

Kurzbesprechung
BFH v. 20. 9. 2022 - IX R 29/21

EStG § 6 Abs 1 Nr. 1a, § 9 Abs 1 S 1, § 9 Abs 1 S 3 Nr. 7, § 9 Abs 5 S 2, § 21 Abs 1 S 1 Nr. 1
HGB § 255 Abs 2


Streitig war, ob Abfindungszahlungen an weichende Mieter zum Zwecke der Durchführung von Renovierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu qualifizieren sind.

Zu den (fiktiven) Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach dieser Vorschrift Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.

Unter den Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG fallen bauliche Maßnahmen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu diesen Aufwendungen gehören daher unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen.

Nicht zu den Aufwendungen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören nach dem Wortlaut des Satzes 2 der Vorschrift ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.

Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Dazu gehören insbesondere Aufwendungen, die ‑ ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ‑ vom Grundsatz her als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären. Hingegen reicht das Bestehen eines (mittelbaren oder unmittelbaren) Veranlassungszusammenhangs zwischen den Kosten und den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen allein nicht aus, um die Aufwendungen § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG unterwerfen zu können.

Entsprechend hat der BFH daher entschieden, dass Mieterabfindungen keine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG darstellen, da sie nicht nicht zu den baulichen Maßnahmen gehören. Wenngleich der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten im Grundsatz weit zu verstehen ist, sind Maßnahmen zur Aufhebung bestehender Mietverhältnisse nicht Teil der Instandsetzung bzw. Modernisierung der Gebäudesubstanz. In diesen Fällen reicht weder das Bestehen eines (mittelbaren oder unmittelbaren) Veranlassungszusammenhangs zwischen den Aufwendungen und den nach Anschaffung durchgeführten Maßnahmen zur Instandsetzung oder Modernisierung noch das Bestehen eines "wirtschaftlichen Zusammenhangs" im weitesten Sinne allein dazu aus, um die Aufwendungen unter § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG subsumieren zu können.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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