15.07.2013

Sonderabschreibungen gehören nicht zum steuerpflichtigen Spekulationsgewinn

Entfällt der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstückes innerhalb der zehnjährigen sog. Spekulationsfrist auf Wertsteigerungen, die nach "alter Rechtslage" steuerfrei hätten realisiert können, so bleiben diese Gewinnanteile weiterhin steuerfrei. Dies muss auch für den Teil des Veräußerungsgewinns gelten, der daraus resultiert, dass der Verkäufer Sonderabschreibungen und andere Absetzungen bis zum 31.3.1999 in Anspruch genommen hat.

FG Münster 21.6.2013, 4 K 1918/11 E
Der Sachverhalt:
Die klagenden Eheleute wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten neben Arbeitslohn Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus der Vermietung mehrerer Grundstücke und aus Beteiligungen. Der Kläger hatte im Dezember 1996 ein Grundstück erworben, das er im September 1999 wieder verkaufte. Dabei erzielte er einen Gewinn von rund 120.000 DM. Dieser resultierte zu einem erheblichen Teil aus einer Sonderabschreibung nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) sowie anderen Absetzungen, die er bereits vor dem 31.3.1999 in Anspruch genommen hatte.

Als steuerpflichtig sah der Kläger lediglich einen Gewinn i.H.v. 4.900 DM an, während das Finanzamt einen steuerpflichtigen Gewinn von 18.200 DM errechnete. Die Behörde hatte die sich aus der Inanspruchnahme der Sonderabschreibung und der sonstigen Absetzungen ergebende "buchmäßige" Wertsteigerung linear verteilt und damit teilweise auch dem Zeitraum nach dem 31.3.1999 zugeordnet, während der Kläger diese als vor dem 31.3.1999 eingetretene, steuerfreie Wertsteigerung behandelte.

Mit ihrer Klage trugen die Kläger vor, dass der Veräußerungsgewinn nicht aus einem Wertzuwachs, sondern aus der hohen Sonderabschreibung resultiere. Tatsächlich habe es gar keinen Wertzuwachs gegeben. Die Sonderabschreibung sowie die bis zum 31.3.1999 in Anspruch genommenen Regelabschreibungen seien dem steuerfreien Zeitraum zuzuordnen. Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen.

Die Gründe:
Den Einkommensteuerbescheid für 1999 war rechtswidrig, soweit bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften ein 4.900 DM übersteigender Betrag angesetzt wurde.

Der Fall betraf eine bisher ungeklärte Rechtsfrage, die im Zusammenhang mit der im Jahr 1999 beschlossenen Verlängerung der sog. Spekulationsfrist für private Veräußerungsgeschäfte von zwei auf zehn Jahre stand und die weiterhin in einer Vielzahl von Veräußerungsfällen -  insbesondere bei Grundstücksgeschäften - relevant ist. Die Verlängerung der Spekulationsfrist traf seinerzeit u.a. auch Steuerpflichtige, die ihre Grundstücke zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes am 31.3.1999 bereits länger als zwei Jahre besaßen. Sie hätten - nach alter Rechtslage - den Gewinn, den sie beim Verkauf des Grundstückes erzielten, nicht versteuern müssen.

Die gesetzliche Neuregelung führte allerdings dazu, dass für diese Grundstückseigentümer ebenfalls die neue zehnjährige Spekulationsfrist galt. Ein steuerfreier Verkauf war damit für die Betroffenen plötzlich erst wieder nach Ablauf einer Frist von insgesamt zehn Jahren zwischen An- und Verkauf möglich. Das BVerfG sah dies allerdings als verfassungswidrig an (Beschl. v. 7.7.2010, 2 BvL 2/04 u.a.), als durch die Neuregelung Wertsteigerungen erfasst würden, die bis zur Verkündung des Gesetzes am 31.3.1999 bereits entstanden waren und die nach der bis dahin geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Infolgedessen müssten in einer Vielzahl von Veräußerungsfällen die entstandenen Gewinne aufgeteilt werden. Soweit sie auf Wertsteigerungen beruhten, die bereits vor dem 31.3.1999 eingetreten waren, blieben die Gewinne steuerfrei.

Somit muss der Veräußerungsgewinn, soweit er auf Sonderabschreibungen bzw. anderen Absetzungen beruht, die vor dem 31.3.1999 in Anspruch genommen wurden, ebenfalls steuerfrei bleiben. Denn auch insoweit ist das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns schutzwürdig. Der von der Finanzverwaltung allgemein vertretenen Auffassung, dass derartige Abschreibungen und Absetzungen bei der Aufteilung eines Veräußerungsgewinnes in steuerpflichtige und steuerfreie Anteile lediglich linear zu berücksichtigen sind, ist nicht zu folgen.

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