16.03.2023

Sozialversicherungsrente und Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989

Nach Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 können Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsstaates von diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, wenn der Empfänger Staatsangehöriger dieses Staates ist, ohne Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates zu sein. Eine darauf beruhende Zuordnung des Besteuerungsrechts für die Leibrentenzahlungen der DRVB (Sozialversicherungsrente) an einen in Italien ansässigen deutschen Staatsangehörigen an den "Kassenstaat" Deutschland ist (insoweit abweichend zum Senatsbeschluss vom 25.07.2011 - I B 37/11, BFH/NV 2011, 1879) nicht rechtsfehlerhaft.

Kurzbesprechung
BFH v. 17. 8. 2022 - I R 17/19

DBA ITA 1989 Art 19 Abs 4, 1989 Art 3 Abs 2
EStG § 1 Abs 4, § 22 Nr. 1 S 3 Buchst a DBuchst aa S 1, § 49 Abs 1 Nr. 7, § 49 Abs 1 Nr. 7 GVG § 21e Abs 3 S 1
FGO § 4
SGB §§ 125ff, SGB 6 § 153 Abs 2, §§ 168ff
GG Art 3 Abs 1


Streitig war, ob eine an einen deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Italien gezahlte Altersversorgung (Sozialversicherungsleibrente) der deutschen Einkommensbesteuerung unterliegt. Das FA veranlagte den Steuerpflichtigen mit der aus Deutschland bezogenen Rente nach Maßgabe einer beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) und erließ entsprechende Steuerfestsetzungen.

Während das FG der Klage stattgab, hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab.

Der Steuerpflichtige war nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig, denn er hatte ‑ ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ‑ inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt, indem er sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG (Leibrente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung) bezogen hatte.

Der inländischen Besteuerung steht auch das DBA - Italien 1989 vom 18.10.1989 (BGBl II 1990, 743, BStBl I 1990, 397) nicht entgegen. Nach Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 können Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsstaates von diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, wenn der Empfänger Staatsangehöriger dieses Staates ist, ohne Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates zu sein.

Eine darauf beruhende Zuordnung des Besteuerungsrechts für die Leibrentenzahlungen der DRVB an den "Kassenstaat" Deutschland durch das FA ist nicht rechtsfehlerhaft. Das sog. Kassenstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 1, 2 DBA-Italien 1989), nach dem insbesondere Arbeitsentgelte, die aus öffentlichen Kassen an eigene Staatsangehörige gezahlt werden, dem Kassenstaat zur ausschließlichen Besteuerung vorbehalten sind, beruht auf dem Gedanken, die Vertragsstaaten bei der Ausübung ihrer öffentlichen Aufgaben von einer Behinderung durch Besteuerungsrechte des jeweils anderen Staates freizuhalten. Gegenstand des Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 ist es, dieses Prinzip auf Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge auszudehnen, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder, ihren Gebietskörperschaften oder von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt werden, wenn der Zahlungsempfänger Staatsangehöriger des Kassenstaates und nicht zugleich Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates ist.

Zu dem Tatbestandsmerkmal der "Bezüge ..., die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung ... gezahlt" werden, hat der BFH zwar im Beschluss vom 25.07.2011 - I B 37/11 (BFH/NV 2011, 1879) auf der Grundlage einer "vorläufigen rechtlichen Einschätzung" (Rechtsprüfungsmaßstab des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO) zu einer Rente aus der italienischen Sozialversicherung die Auffassung vertreten, die in Rede stehenden Renten würden nicht auf Grund der italienischen Sozialversicherungsgesetzgebung "von" Italien gezahlt, sondern allenfalls "durch" Italien oder einer dessen öffentlichen Institutionen. Hieran hält der BFH jedoch nach nochmaliger (und dem Maß eines Hauptsacheverfahrens entsprechenden) Rechtsprüfung nicht fest. Nach der Auslegungsregelung des Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien 1989 ist dem Tatbestandsmerkmal "Sozialversicherungsgesetzgebung" die Bedeutung beizumessen, die ihm nach dem Recht des Anwendungsstaates zukommt. Insoweit sind von Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 aus der Sicht Deutschlands alle Leistungen erfasst, die auf der Grundlage einer Regelung im deutschen Sozialversicherungsrecht (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ‑‑SGB VI‑‑) an den Empfänger erbracht werden (im Streitfall: Zahlung der Regelaltersrente [§ 35 SGB VI] durch die DRVB als "einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts" [§§ 125 ff. SGB VI] auf der Grundlage der geleisteten Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der Zeit der aktiven Arbeitsleistung [§§ 125 ff., 168 ff. SGB VI]).
Verlag Dr. Otto Schmidt
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