23.07.2015

Steuerbefreiung für als Arzneimittel zugelassene Alkohol-Wasser-Mischungen

Der Ausschluss als Arzneimittel zugelassener reiner Alkohol-Wasser-Mischungen in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG verstößt gegen Unionsrecht. Ein Anspruch, den zur Herstellung solcher Arzneimittel verwendeten Branntwein von der Steuer zu befreien, ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung des Art. 27 Abs. 1d Richtlinie 92/83/EWG.

BFH 5.5.2015, VII R 22/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin stellt homöopatische Arzneimittel her und veräußert diese. Seit 1993 besitzt sie eine Erlaubnis nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (BranntwMonG a.F.), Branntwein unvergällt zu beziehen und zur Herstellung von Arzneimitteln i.S.d. § 2 AMG zu verwenden. Unter Vergällung versteht man das Verändern des natürlichen Geruchs.

Zwischen Dezember 2009 und November 2010 bezog die Klägerin unversteuerten und unvergällten Branntwein, den sie für die Herstellung einer Alkohol-Wasser-Mischung (15 % m/m) als Arzneiträger verwendete; diese Mischung gab sie zwecks Weiterverarbeitung zu homöopathischen Arzneimitteln an ein Unternehmen ab. Außerdem verwendete sie einen Teil des bezogenen Branntweins für die Herstellung einer Alkohol-Wasser-Mischung (70 % V/V), die sie einer Firma lieferte, die das Produkt als Desinfektionsmittel vertrieb. Diese Mischung war als Arzneimittel für Zwecke der Kühlung zugelassen. Schließlich setzte die Klägerin noch einen Teil des unvergällten Branntweins zur Herstellung einer Alkohol-Wasser-Mischung (70 % vol) ein, mit der sie die Konfektionierungsanlage spülte.

Das Hauptzollamt war der Ansicht, dass in allen drei Fällen die Branntweinsteuer entstanden sei. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Steuerbefreiung für den zur Herstellung der als Arzneimittel zugelassenen Alkohol-Wasser-Mischung verwendeten unvergällten Branntwein aus Art. 27 Abs. 1d Alkoholstrukturrichtlinie zu.

Der Ausschluss als Arzneimittel zugelassener reiner Alkohol-Wasser-Mischungen in § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG a.F. und § 152 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG verstößt gegen Unionsrecht. Der zur Herstellung des Arzneimittels verwendete Ethylalkohol ist zwingend von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu befreien. Dieser Anspruch ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung des Art. 27 Abs. 1d Richtlinie 92/83/EWG. Der Ausschluss der Steuerbefreiung lässt sich auch nicht durch die Ermächtigung in Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie legitimieren, nach der die Mitgliedstaaten die von dem Rechtsakt erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen befreien, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen.

Für dieses Rechtsverständnis sprechen etwa die Ausführungen des EuGH zum national-rechtlichen Ausschluss unionsrechtlich festgelegter obligatorischer Mehrwertsteuer- und Energiesteuerbefreiungen. Zwar können die zur Mehrwertsteuer ergangenen Entscheidungen des EuGH nicht ohne Weiteres auf das Verbrauchsteuerrecht übertragen werden, doch sind ihnen Aussagen zu den allgemeinen Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zu entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in Art. 27 Abs. 1 Alkoholstrukturrichtlinie normierte Ermächtigung den Regelungen in Art. 14 Abs. 1 und Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (77/388/EWG) nachgebildet ist, die die Steuerbefreiungen in Fällen der Einfuhr und der innergemeinschaftlichen Lieferung betreffen.

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