Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG bei fehlender Steuerbarkeit des vorausgegangenen Erwerbs
Kurzbesprechung
BFH v. 7.5.2025 - II R 16/23
GrEStG § 1 Abs 3 Nr. 1, GrEStG § 16 Abs 2 Nr. 3, GrEStG § 16 Abs 5
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Erwerb der Anteile wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.
Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück. Dasselbe gilt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG, wenn der Vereinigung der Anteile kein auf Übertragung der Anteile gerichtetes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund unterlag im Streitfall der Widerruf der Schenkung durch den Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Denn unter Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG versteht man einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an der Gesellschaft begründen. Es muss sich dabei um ein Rechtsgeschäft handeln, das in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist. Auch ein Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft ‑ zum Beispiel einer vertraglichen Vereinbarung ‑ angelegt ist.
Im Streitfall wurde notariell vereinbart vereinbart, dass der Steuerpflichtige als Schenker sich das Recht vorbehält, die Schenkung gegenüber dem Beschenkten beziehungsweise dessen Rechtsnachfolgern zu widerrufen und die Rückübertragung des Geschäftsanteils auf sich zu verlangen, wenn der Beschenkte während der Lebenszeit des Schenkers stirbt, ohne eigene leibliche Abkömmlinge zu hinterlassen.
Das FG war zutreffend davon ausgegangen, dass für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung die Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist. Denn erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.
Die Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus.
Die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf die (erneute) Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG setzt die Steuerbarkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung nicht voraus. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sieht nach seinem Wortlaut zwar vor, dass sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt wird. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfasst jedoch nach seinem Regelungsgehalt in erster Linie den Erst- und Rückerwerb des Eigentums an einem Grundstück, also Erwerbsvorgänge, die jeweils für sich betrachtet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen. Aus der Formulierung des Gesetzes lässt sich nicht schließen, dass § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch in den Fällen der Rückgängigmachung eines in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgangs die Rechtsfolge der Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass dem Rückerwerb ein steuerbarer Erwerbsvorgang vorausgegangen sein muss. Vielmehr macht die Regelung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG deutlich, dass für den Erwerb und den Rückerwerb insgesamt keine Steuer festgesetzt werden soll.
Im Streitfall stand auch § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen. Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20 GrEStG) war. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer allerdings nur dann aus, wenn der Ersterwerb nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG trotz Anzeigepflicht nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war, nicht aber dann, wenn ‑ wie im Streitfall ‑ eine Anzeige der schenkweisen Übertragung der Anteile beim Ersterwerb mangels Steuerbarkeit nicht erforderlich ist.
Auch die fehlende Anzeige des Rückerwerbs der Geschäftsanteile durch den Steuerpflichtigen führte nicht nach § 16 Abs. 5 GrEStG zu einem Ausschluss der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Unterliegt der Rückerwerb selbst nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Besteuerung, treffen die Beteiligten zwar die normalen Anzeigepflichten mit allen Konsequenzen bei deren Nichterfüllung, zum Beispiel im Hinblick auf die Festsetzungsverjährung oder die Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Der Steuertatbestand ist zunächst erfüllt. Die Nichtanzeige des steuerbaren Rückerwerbs hat jedoch nicht zur Folge, dass der Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen ist. Die Gefahr eines Missbrauchs des § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nach Aufdeckung eines zunächst nicht angezeigten steuerbaren Erwerbsvorgangs besteht in diesen Fällen nicht.
Im Streitfall hatte das FG zutreffend entschieden, dass der Besteuerung der steuerbaren Anteilsvereinigung ein Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entgegensteht. Der Anspruch ist im Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid zu prüfen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GrEStG § 1 Abs 3 Nr. 1, GrEStG § 16 Abs 2 Nr. 3, GrEStG § 16 Abs 5
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Erwerb der Anteile wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.
Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück. Dasselbe gilt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG, wenn der Vereinigung der Anteile kein auf Übertragung der Anteile gerichtetes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund unterlag im Streitfall der Widerruf der Schenkung durch den Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Denn unter Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG versteht man einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an der Gesellschaft begründen. Es muss sich dabei um ein Rechtsgeschäft handeln, das in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist. Auch ein Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft ‑ zum Beispiel einer vertraglichen Vereinbarung ‑ angelegt ist.
Im Streitfall wurde notariell vereinbart vereinbart, dass der Steuerpflichtige als Schenker sich das Recht vorbehält, die Schenkung gegenüber dem Beschenkten beziehungsweise dessen Rechtsnachfolgern zu widerrufen und die Rückübertragung des Geschäftsanteils auf sich zu verlangen, wenn der Beschenkte während der Lebenszeit des Schenkers stirbt, ohne eigene leibliche Abkömmlinge zu hinterlassen.
Das FG war zutreffend davon ausgegangen, dass für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung die Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist. Denn erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.
Die Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus.
Die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf die (erneute) Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG setzt die Steuerbarkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung nicht voraus. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sieht nach seinem Wortlaut zwar vor, dass sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt wird. § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfasst jedoch nach seinem Regelungsgehalt in erster Linie den Erst- und Rückerwerb des Eigentums an einem Grundstück, also Erwerbsvorgänge, die jeweils für sich betrachtet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen. Aus der Formulierung des Gesetzes lässt sich nicht schließen, dass § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch in den Fällen der Rückgängigmachung eines in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgangs die Rechtsfolge der Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass dem Rückerwerb ein steuerbarer Erwerbsvorgang vorausgegangen sein muss. Vielmehr macht die Regelung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG deutlich, dass für den Erwerb und den Rückerwerb insgesamt keine Steuer festgesetzt werden soll.
Im Streitfall stand auch § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen. Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20 GrEStG) war. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer allerdings nur dann aus, wenn der Ersterwerb nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG trotz Anzeigepflicht nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war, nicht aber dann, wenn ‑ wie im Streitfall ‑ eine Anzeige der schenkweisen Übertragung der Anteile beim Ersterwerb mangels Steuerbarkeit nicht erforderlich ist.
Auch die fehlende Anzeige des Rückerwerbs der Geschäftsanteile durch den Steuerpflichtigen führte nicht nach § 16 Abs. 5 GrEStG zu einem Ausschluss der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Unterliegt der Rückerwerb selbst nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Besteuerung, treffen die Beteiligten zwar die normalen Anzeigepflichten mit allen Konsequenzen bei deren Nichterfüllung, zum Beispiel im Hinblick auf die Festsetzungsverjährung oder die Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Der Steuertatbestand ist zunächst erfüllt. Die Nichtanzeige des steuerbaren Rückerwerbs hat jedoch nicht zur Folge, dass der Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeschlossen ist. Die Gefahr eines Missbrauchs des § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG nach Aufdeckung eines zunächst nicht angezeigten steuerbaren Erwerbsvorgangs besteht in diesen Fällen nicht.
Im Streitfall hatte das FG zutreffend entschieden, dass der Besteuerung der steuerbaren Anteilsvereinigung ein Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entgegensteht. Der Anspruch ist im Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid zu prüfen.