11.05.2023

Steuersatzermäßigung für Werbelebensmittel

Im Rahmen der zollrechtlichen Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 zum UStG ist der Verwendungszweck nur dann von Bedeutung, wenn er dem Erzeugnis nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften innewohnt, wobei übliche Verpackungen außer Betracht bleiben. Zur Verneinung der Steuersatzermäßigung reicht es daher nicht aus, dass sog. Werbelebensmittel unabhängig hiervon zu Werbezwecken geliefert werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.2.2023 - V R 38/21

UStG § 12 Abs 2 Nr. 1, UStG Anl. 2, § 3 Abs 1
KN AllgVorschr 3 Buchst b, KN AllgVorschr 5 Buchst b
EGRL 112/2006 Art 98 Abs 1, 112/2006 Art 98 Abs 2, 112/2006 Art 98 Abs 3, 112/2006 Anh 3 Nr. 1


Streitig war die Steuersatzermäßigung für Umsätze des Steuerpflichtigen aus der Veräußerung von essbaren Waren, die als Werbemittel verwendet werden (Werbelebensmittel).

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG unterliegt die Lieferung der in der Anlage 2 zum UStG genannten Gegenstände dem ermäßigten Steuersatz. Zur Bestimmung der Gegenstände, die zum ermäßigten Steuersatz geliefert werden können, enthält die Anlage 2 zum UStG in der zweiten Spalte die "Warenbezeichnung". In der dritten Spalte verweist sie auf Kapitel, Positionen und Unterpositionen des Zolltarifs. Soweit die Anlage 2 zum UStG auf das Zolltarifrecht Bezug nimmt, ist sie ohne Berücksichtigung umsatzsteuerrechtlicher Merkmale zolltariflich auszulegen.

Die zollrechtliche Tarifierung richtet sich nach den objektiven Merkmalen und Eigenschaften der Waren, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den entsprechenden Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. Dabei kann der Verwendungszweck eines Erzeugnisses ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er dem Erzeugnis innewohnt, was anhand seiner objektiven Merkmale und Eigenschaften zu beurteilen ist. Er darf jedoch nur berücksichtigt werden, wenn die Tarifierung nicht allein auf der Grundlage der objektiven Merkmale und Eigenschaften eines Erzeugnisses erfolgen kann. Außerdem sind die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur ‑ AV ‑ zu beachten.

Für den Streitfall war insbesondere die AV 5 Buchst. b Satz 1 in den Blick zu nehmen. Danach werden Verpackungen ‑ vorbehaltlich der AV 5 Buchst. a ‑ wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind. Übliche Verpackungen sind solche, die entweder für die Verwendung der fraglichen Ware unbedingt notwendig sind, oder Verpackungen, die üblicherweise zur Vermarktung und Verwendung der darin enthaltenen Waren genutzt werden. Derartige Verpackungen dienen u.a. dem Schutz des Packguts bei Transport, Umschlag und Lagerung sowie der Aufmachung für den Einzelverkauf, wobei sie im letzteren Fall zusätzliche Funktionen haben können.

Im Streitfall hatte das FG gegen § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 zum UStG verstoßen, da es die zolltarifliche Auslegung außer Acht gelassen hatte, nach der der Verwendungszweck nur dann von Bedeutung ist, wenn er dem Erzeugnis nach seinen objektiven Merkmalen und Eigenschaften innewohnt, wobei übliche Verpackungen entsprechend den sich aus der AV 5 Buchst. b ergebenden Voraussetzungen außer Betracht bleiben. Damit nicht vereinbar ist die Annahme des FG, zur Versagung der Steuersatzermäßigung reiche es unabhängig hiervon aus, dass die Werbelebensmittel ‑ anders als Lebensmittel aus dem Lebensmittelhandel ‑ nicht vorwiegend zum Zweck des Verzehrs, sondern zu Werbezwecken geliefert werden. Im zweiten Rechtsgang wird das FG daher Feststellungen zu den genauen Eigenschaften der Werbelebensmittel und ihren Verpackungen treffen müssen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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