31.10.2012

Tarifbegünstigung kommt auch bei Rechtsberatungsverträgen in Betracht

Die Rechtsprechung hat § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stets sehr großzügig gehandhabt. In Fällen, in denen ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen Selbständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein Arbeitnehmer schuldet, kommt deshalb im Zusammenhang mit diesem Vertrag eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Betracht, die für Arbeitnehmer gelten.

BFH 10.7.2012, VIII R 48/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger war als Rechtsanwalt und Notar selbständig tätig. 1979 hatte er mit einer GmbH einen Rechtsberatungsvertrag abgeschlossen und sich darin verpflichtete, unter Beibehaltung seiner Selbständigkeit als Rechtsanwalt und Notar die laufende Rechtsberatung der Gesellschaft zu übernehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich die GmbH, an den Kläger monatlich 5.000 DM zu zahlen und sagte ihm eine betriebliche Altersversorgung wie einem Geschäftsführer zu. Im Dezember 1994 schlossen beide Seiten einen neuen Rechtsberatungsvertrag unter ähnlichen Bedingungen. Der neue Vertrag hatte eine feste Laufzeit bis Ende 2008.

Im August 1996 kündigte die GmbH den Beratungsvertrag mit sofortiger Wirkung. Dem widersprach der Kläger. Vor dem OLG einigte man sich schließlich vergleichsweise auf die Aufhebung des Vertrags zum Ende des Monats August 1996. Die GmbH verpflichtete sich, an den Kläger einmalig eine Entschädigung i.H.v. 1,7 Mio. DM zu zahlen. Die Ruhegehaltszusage sollte ab Januar 2012 monatlich 9.000 DM betragen. Die GmbH zahlte den Vergleichsbetrag noch im Jahr 1998 aus.

Im Einkommensteuerbescheid für 1998 gewährte das Finanzamt zunächst die Tarifbegünstigung. Später hob die Steuerbehörde den Vorbehalt der Nachprüfung allerdings auf. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht die Anwendung der Tarifbegünstigung versagt.

Die Rechtsprechung hat § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit stets sehr großzügig gehandhabt. Bei Arbeitnehmern wird die Vorschrift bereits dann angewendet, wenn die Zahlung unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt (veranlasst) und dazu bestimmt ist, diesen Verlust auszugleichen. Sie muss außerdem (funktional) auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Nicht (mehr) erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vollständig einstellt. Es wird auch nicht vorausgesetzt, dass die Entschädigung für den vollständigen Verlust der einzigen Einkunftsquelle geleistet wird. Vielmehr ist ein "besonderes Ereignis" schon dann anzunehmen, wenn die Beendigung oder Änderung des Vertrags vom Arbeitgeber ausgeht oder wenn der Arbeitnehmer beim Abschluss einer Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung unter einem nicht unerheblichen Druck gehandelt hat.

Nach diesen Maßstäben käme im Streitfall eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1a EStG in Betracht, denn die streitige Zahlung war durch den Wegfall der künftigen Einnahmen aus dem Beratungsvertrag veranlasst und beruhte auf einer neuen Rechtsgrundlage (Vergleich). Ebenso wäre ein "besonderes Ereignis" anzunehmen, denn der Kläger stand beim Abschluss des Vergleichs unter Druck. Hierzu hat der IX. Senat des BFH jüngst entschieden, dass es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation entspricht, allein wegen einer gütlichen Einigung in einer konfligierenden Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen.

Das hierdurch beschriebene Spannungsverhältnis ist in der Weise aufzulösen, dass bei der Anwendung von § 24 Nr. 1a EStG die für Arbeitnehmer geltenden Grundsätze (analog) zu beachten sind, wenn im Rahmen der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts ein Geschäftsbesorgungs- oder Rechtsberatungsvertrag arbeitnehmerähnlich ausgestaltet ist. Dies gebietet die rechtliche Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Infolgedessen muss im weiteren Verfahren geprüft werden, ob das Beratungsvertragsverhältnis des Klägers mit der GmbH arbeitnehmerähnlich ausgestaltet war und wie vereinbart tatsächlich durchgeführt wurde.

Linkhinweis:

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