04.07.2012

Telefoninterviewer sind Arbeitnehmer

Telefoninterviewer, die für ein Meinungsforschungsinstitut tätig werden, sind steuerrechtlich als Arbeitnehmer und nicht als Selbständige anzusehen. Das Institut hat deshalb als Arbeitgeber Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen; andernfalls kann es für die Lohnsteuer in Haftung genommen werden. Das FG beurteilte die Interviewtätigkeit damit anders als Arbeits- und Sozialgerichte, die in der Vergangenheit die Tätigkeit häufig als selbständig ansahen.

FG Köln 14.3.2012, 2 K 476/06
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme der Klägerin für Lohnsteuer und Nebenabgaben insbes. darum, ob die für die Klägerin als Interviewer tätigen Personen eine lohnsteuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt haben.

Die Klägerin, ein Meinungsforschungsinstitut, beschäftigte Telefoninterviewer auf freiberuflicher Basis. Den Interviewern stand dabei ein Telefonarbeitsplatz im Institut zur Verfügung. Das Honorar wurde im Wesentlichen danach kalkuliert, wie viele Interviews durchschnittlich je Stunde durchgeführt wurden, und nach der Anzahl erfolgreich abgeschlossener Interviews bemessen. Von den gezahlten Honoraren wurden weder Sozialversicherungsbeiträge noch Lohnsteuern einbehalten. Das Finanzamt nahm das Institut für Lohnsteuer i.H.v. über einer 500.000 € in Haftung.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Lohnsteuerhaftungsbescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als er den Betrag von rd. 108.000 € übersteigt.

Das FG hat zwar zu Recht die Arbeitnehmereigenschaft der Telefoninterviewer bejaht. Unabhängig davon war die Haftungssumme jedoch auf rund ein Fünftel des vom Finanzamt angesetzten Steuerhaftungsbetrags zu reduzieren. Da die Interviewtätigkeit typischerweise vielfach von Personen ohne weitere Einkünfte (z.B. Studenten) als Aushilfs- bzw. Nebentätigkeit ausgeübt wird, ist anzunehmen, dass bei einem erheblichen Teil der Arbeitnehmer gar keine Einkommensteuer angefallen wäre bzw. die Zahlungen ordnungsgemäß versteuert worden sind.

Außerdem war die Arbeitnehmereigenschaft der ebenfalls von der Klägerin beschäftigten sog. "Codierer", die Antworten nach einem vorgeschriebenen Kennzahlenplan verschlüsselten, zu verneinen. Diese Personen waren in Heimarbeit tätig und übten daher eine freiere und eigenverantwortlichere, gegen eine Arbeitnehmerstellung sprechende Tätigkeit aus. Bereits vor Klageerhebung hatte das Finanzamt aus dem gleichen Grund sog. "Face-to-Face-Interviewer", die persönliche Befragungen von Zielpersonen durchführten, nicht als Arbeitnehmer angesehen.

Linkhinweis:

FG Köln PM vom 2.7.2012
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