15.02.2012

Trotz geänderter BFH-Rechtsprechung: Nach Gesetzesänderung gelten erneut strenge Regeln für den Nachweis von Krankheitskosten

Nach der durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 geschaffenen Neuregelungen der §§ 33 Abs. 4 EStG, 64 EStDV gelten nunmehr erneut erhöhte Anforderungen an den Nachweis von Krankheitskosten. Damit profitieren Betroffene nicht mehr von der geänderten Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2010, wonach ein formalisierter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nicht erforderlich sei.

FG Münster 18.1.2012, 11 K 317/09 E
Der Sachverhalt:
Die Kläger brachten ihren Sohn in einem Internat unter, das in besonderer Weise auf die Betreuung von an Legasthenie leidenden Kindern eingerichtet ist. Die Unterbringung erfolgte auf Empfehlung eines Facharztes sowie des Schulpsychologischen Dienstes. Ein amtsärztliches Attest holten die Kläger jedoch nicht ein. Die Stadt gewährte den Klägern eine finanzielle Unterstützung für die Unterbringung ihres Sohnes, die die Gesamtkosten allerdings nicht vollständig abdeckte.

Die Kläger machten die von ihnen im Streitjahr 2007 zu tragenden Kosten für das Internat sowie für Heimfahrten des Sohnes in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab, da nicht durch ein vor der Unterbringung ausgestelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen sei, dass die Aufwendungen krankheitsbedingt angefallen seien. Hiergegen wandten sich die Kläger, die sich auch auf die während des laufenden finanzgerichtlichen Verfahrens geänderte Rechtsprechung des BFH beriefen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Die Kosten für das Internat sowie für Heimfahrten des Sohnes sind nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Die Kläger profitierten insoweit nicht von der geänderten Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 11.11.2010, VI R 17/09).

Der BFH hatte damals seine langjährige Rechtsprechung zum Nachweis von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation daher nur schwer zu beurteilen ist, aufgegeben. Er hatte klargestellt, dass ein formalisierter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nicht erforderlich sei. Dieser Rechtsprechungsänderung ist der Gesetzgeber jedoch im Steuervereinfachungsgesetz 2011 entgegen getreten. Er verlangt nunmehr formalisierte Nachweise, und zwar in allen noch offenen Fällen.

Daher gilt im Streitfall der neu eingefügte § 33 Abs. 4 EStG und die hierzu ergangene Verwaltungsregelung (§ 64 EStDV). Darin ist u.a. ausdrücklich festgelegt, dass im Fall einer medizinisch angezeigten auswärtigen Unterbringung eines an Legasthenie leidenden Kindes der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erfolgen hat. Derlei Nachweise liegen jedoch im Streitfall nicht vor.

Die gesetzliche Neuregelung ist auch im Streitfall zu beachten, da sie in allen Fällen gilt, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (Art. 2 Nr. 9 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011). Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist nicht zu erkennen und ergibt sich insbes. nicht aus der vorgesehenen Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung, denn diese ist ausnahmsweise zulässig. Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung nämlich lediglich die Rechtslage rückwirkend festgeschrieben, die bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der einhelligen Rechtsanwendungspraxis entsprach.

Dies ist zulässig und verletzt auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger. Der BFH hat erst Ende 2010 seine langjährige Rechtsprechung aufgegeben und auf den formalisierten Nachweis durch ein vorab erstelltes amtsärztliches Attest verzichtet. In Anbetracht dieser Situation hatten die Kläger im Streitjahr 2007 keinen Anlass anzunehmen, dass sie die streitigen Aufwendungen anders als durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes nachweisen könnten.

Linkhinweis:

FG Münster PM vom 15.2.2012
Zurück