15.06.2016

Übertragung einer § 6b-Rücklage schon vor Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsguts möglich

Gem. §§ 6b,c EStG kann der Steuerpflichtige für stille Reserven, die bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen aufgedeckt wurden, eine Rücklage bilden und diese später auf die Anschaffung oder Herstellung eines Ersatzwirtschaftsguts - in demselben oder einem anderen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen - übertragen, um so die sofortige Versteuerung zu vermeiden. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Rücklage bereits vor der Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsguts auf einen anderen Betrieb übertragen wird.

FG Münster 13.5.2016, 7 K 716/13 E
Der Sachverhalt:
Die Eltern des Klägers hatten für einen Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb eine Rücklage nach §§ 6b, c EStG gebildet. Ende 2006 erwarb der Kläger den landwirtschaftlichen Betrieb. Seine Eltern wiesen die § 6b-Rücklage daraufhin zum 31.12.2006 im Betriebsvermögen einer KG aus, deren Gesellschafter sie waren. Im Folgejahr übertrugen sie die Rücklage auf die Herstellungskosten eines im Jahr 2007 im Betriebsvermögen der KG fertig gestellten Gebäudes.

Das Finanzamt hielt die Übertragung unter Berufung auf die Einkommensteuerrichtlinien, nach denen die Übertragung einer Rücklage erst im Zeitpunkt und nur im Umfang ihres Abzugs bei Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsguts möglich sein soll, nicht für zulässig und lehnte den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage in vollem Umfang statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte die gem. §§ 6c Abs. 1 S. 1 i.V.m. 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage zu Unrecht gem. § 6b Abs. 3 S. 5 und Abs. 7 EStG gewinnwirksam im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers aufgelöst.

Die Rücklage war am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres nicht mehr im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers vorhanden. Die Eltern des Klägers hatten die Rücklage im Jahr 2006 wirksam aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in ihr Sonderbetriebsvermögen der KG übertragen. Soweit das Finanzamt sich darauf berufen hatte, dass der Übertragung der Rücklage aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Eltern in deren Sonderbetriebsvermögen bei der KG die Verwaltungsvorschrift des R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR entgegenstehe, so war dem nicht zu folgen.

Gem. R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR kann eine nach § 6b Abs. 3 oder Abs. 10 EStG gebildete Rücklage auf einen anderen Betrieb erst in dem Wirtschaftsjahr übertragen werden, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Wirtschaftsgütern des anderen Betriebes vorgenommen wird. Dies wäre im vorliegenden Fall gem. § 9a EStDV das Jahr 2007 gewesen. Durch diese Regelung soll nach Auffassung in der Literatur verhindert werden, dass die Verlagerung und Auflösung der Rücklage nur zur Ersparnis von Gewerbesteuer erfolgt, z.B. zum Ausgleich eines (anderenfalls gewerbesteuerlich nicht mehr abziehbaren) Verlustes im anderen Betrieb (Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rdn. 46).

Die sich aus der Verwaltungsvorschrift in R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR ergebende zeitliche Einschränkung der Übertragung der Rücklage findet jedoch nach Auffassung des Senates keine Grundlage im Gesetz. Eine Übertragung der Rücklage ist daher auch bereits zeitlich vor einem Abzug und grundsätzlich sogar unabhängig von einem Abzug von den Anschaffungs- und Herstellungskosten im anderen Betrieb möglich. Jedenfalls aber muss die Übertragung einer Rücklage in den Fällen möglich sein, wenn - wie hier - im Zeitpunkt der Übertragung bereits mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes begonnen wurde.

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