28.08.2025

Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers

1. Erziehung von Kindern im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL bezieht sich auf die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen.
2. Die Tätigkeit eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers kann diese Voraussetzungen erfüllen.
3. Bei Fehlen eines förmlichen Anerkennungsverfahrens kann jedenfalls dann von einer Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter gleicher Zielsetzung ausgegangen werden, wenn die Einrichtung in der Gesamtheit ihrer unternehmerischen Zielsetzung auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet ist.

Kurzbesprechung
BFH, Urt. v. 30.4.2025 - XI R 5/24

UStG § 4 Nr. 21, MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. i

Der Kläger war als Präventions- und Konflikttrainer (Einzelunternehmer) tätig. Er bot in den Jahren 2010 bis 2014 an staatlichen Schulen Konflikt- und Gewaltpräventionskurse für Schüler an, die teils während des regulären Schulunterrichts stattfanden. Die Kurse erbrachte der Kläger teils persönlich, teils unter Einbeziehung weiterer Personen, d.h. unter Einschaltung von selbständig tätigen Subunternehmern. Die Kursgebühren entrichteten die Eltern direkt an den Kläger, die der Kläger teils mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer abrechnete. Gestritten wird steuerlich um die Umsatzsteuerfreiheit dieser Kursgebühren, die der Kläger erst nachträglich im Wege eines Änderungsantrags zu den bisherigen erklärungsgemäßen Steuerfestsetzungen, in denen er seine Umsätze steuerpflichtig behandelte, begehrt und die ihm vom Finanzamt verwehrt wurde.

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang wies das FG die erhobene Klage als unbegründet zurück. Denn nach Ansicht des FG waren weder nach nationalem Recht noch nach der MwStSystRL die Voraussetzungen für steuerfreie Leistungen erfüllt. Die Revision ließ das FG nicht zu. Sie wurde erst vom BFH auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin in Teilen zugelassen, d.h. nur soweit keine Rechnungen des Klägers i.S.d. § 14c UStG vorlagen (wegen seiner Abrechnung mit offen ausgewiesener USt); die Zulassung der Revision war somit beschränkt auf Umsätze des Klägers i.H.v. 239,- € aus dem Streitjahr 2010. Die Revision des Klägers hatte insoweit dann auch Erfolg. Der BFH folgte zwar mit seinem Urteil vom 15.12.2021 dem FG, wonach keine nationale Befreiungsnorm erfüllt sei, sah jedoch die Möglichkeit steuerfreier Umsätze unter Berufung des Klägers auf die MwStSystRL gegeben. Mit dem Urteil 7 K 7342/16 vom 17.1.2024 (UR 2024, 624) gab das FG Berlin-Brandenburg der Klage im zweiten Rechtsgang statt.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Revision beantragte das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der XI. Senat urteilte nun, dass die Revision unbegründet und daher zurückzuweisen sei. Das FG habe ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Umsätze des Klägers nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei sind. Die zwei kumulativen tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (vgl. EuGH, Urt. v. 28.4.2022 - C-612/20 - Happy Education, UR 2022, 413, Rz. 29) liegen im Streitfall vor. Bei den Tätigkeiten des Klägers handelte es sich zum einen um eng mit der Erziehung von Kindern und Jugendlichen verbundene Dienstleistungen i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Zum anderen seien auch die personellen Voraussetzungen dieser Norm erfüllt.

Vgl. zu der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg 7 K 7342/16 auch den Beitrag von Esteves Gomes in UR 2024, 593.
Verlag Dr. Otto Schmidt