23.03.2023

Verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Korrektur des Zinslaufs in einer Zinsberechnung

1. Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden.
2. Die Entscheidung über das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung ist ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend BMF-Schreiben vom 15.08.2014, BStBl I 2014, 1174, unter 2.b).

Kurzbesprechung
BFH v. 13. 12. 2022 - VIII R 16/19

AO § 175 Abs 1 S 1 Nr. 1, § 175 Abs 1 S 1 Nr. 2, § 233a Abs 1, § 233a Abs 2, § 233a Abs 2a, § 233a Abs 5, § 239 Abs 1 S 1
EStG § 7g Abs 3 S 4


Streitig war, ob Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer der Streitjahre 2007 und 2008, die auf höheren Steuerfestsetzungen infolge der Rückgängigmachung des Betriebsausgabenabzugs für in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge beruhen, mit einem Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a AO zu berechnen sind und ob die Steuerpflichtigen eine Änderung der ergangenen Zinsfestsetzungen beanspruchen können. Das FG hatte dies abgelehnt, entsprechend entschied der BFH im Revisionsverfahren.

Gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO ist eine Zinsfestsetzung zu ändern, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Diese Vorschrift trägt verfahrensrechtlich der Abhängigkeit der Zinsen (als steuerlicher Nebenleistung) von der Steuer (als der den Zinsen zugrunde liegenden Hauptforderung) Rechnung und regelt ‑ als lex specialis zu den §§ 172 ff. AO ‑ abschließend die Folgen, die eine Änderung der Steuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung hat. Sie ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nachgebildet, denn die Einkommensteuerfestsetzung entfaltet hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Steuer als Grundlagenbescheid Bindungswirkung für die Zinsfestsetzung als Folgebescheid.

Im Streitfall hatte das FA die vorherigen Zinsfestsetzungen zu Recht gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AO geändert, da sich die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre geändert hatte. Ein nach § 233a Abs. 5 Satz 1 AO ergehender Zinsbescheid setzt den Zinsbetrag jeweils neu fest. § 233a Abs. 5 Sätze 2 bis 4 AO regeln als gegenüber § 233a Abs. 3 AO speziellere Vorschriften die Maßstäbe für die im Änderungsbescheid neu vorzunehmende Zinsberechnung und -Festsetzung.

§ 233a Abs. 5 AO eröffnet nur die Möglichkeit zur Korrektur früherer Fehler, die die Höhe der festgesetzten Steuer (im Streitfall: der Einkommensteuern für 2007 und 2008) als Bemessungsgrundlage der Zinsberechnung betreffen. Werden in einem Einkommensteueränderungsbescheid Mehr- oder Mindersteuern festgesetzt, ohne dass zugleich in einem geänderten Zinsbescheid die erforderlichen zinsrechtlichen Konsequenzen gezogen werden, dürfen Mehr- oder Minderzinsen, deren Festsetzung bislang versäumt wurde, bei einer späteren Änderung der Einkommensteuerfestsetzung im Rahmen der neuen Zinsfestsetzung nachträglich erfasst werden.

Bei der Zinsfestsetzung in einem Änderungsbescheid können ferner im Rahmen der gemäß § 233a Abs. 5 Satz 3 AO angeordneten Hinzurechnung der "festzusetzenden Zinsen" Zinsbeträge, die unbeschadet ihrer tatsächlichen Festsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften hätten festgesetzt werden müssen, nachträglich berücksichtigt werden.

Berechnungsfehler, die ‑ wie im Streitfall ‑ ausschließlich den Zinsbeginn und nicht die festgesetzte Steuer betreffen, liegen jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs der Anpassungspflicht gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 AO. Sie können nur auf der Grundlage der gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Änderungsvorschriften in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden. Eine Änderung der Berechnung der Zinsen unter Ansatz eines geänderten Zinsbeginns gemäß § 233a Abs. 2a AO kommt danach nur auf der Grundlage der allgemeinen Korrekturvorschriften gemäß § 239 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 129, 172 ff. AO in Betracht.

Deren Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt, da im Streitfall die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre keine Grundlagenbescheide und die Zinsbescheide der Streitjahre insoweit keine Folgebescheide waren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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