16.03.2023

Verfassungsmäßigkeit des Übergangsrechts zur Einführung der Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG mit Wirkung vom 1.1.2009

Die durch § 52 Abs. 28 Satz 16 Teilsatz 3 EStG bewirkte Einbeziehung unechter Finanzinnovationen in die Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG mit Wirkung vom 01.01.2009 ist verfassungsgemäß.

Kurzbesprechung
BFH v. 13. 12. 2022 - VIII R 23/20

EStG § 20 Abs 2 S 1 Nr. 4 und 7, § 20 Abs 2 S 2, § 23 Abs 1 S 1 Nr. 2, § 52 Abs 28 S. 15 - 17, § 52a Abs 10 S 7
GG Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1, Art 20 Abs 3


Gemäß § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des Art. 1 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) grundsätzlich erstmals auf die nach dem 31.12.2008 zufließenden Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden. Danach sind die Veräußerungsgewinne, die der Kläger aus den im Jahr 2008 erworbenen Anleihen in den Streitjahren aufgrund der Rückzahlung erzielt hat, gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Auch folgt weder aus Satz 16 noch aus Satz 17 des § 52 Abs. 28 EStG eine Ausnahme in dem Sinne, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorrangig ist und die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ausschließt.

Im Streitfall lagen die Voraussetzungen des § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG für eine Fortgeltung des alten Rechts über den 31.12.2008 hinaus nicht vor. Dies ergibt sich aus dem dritten Teilsatz in § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG, der im Sinne einer Rückausnahme die im ersten Teilsatz normierte Ausnahme von der Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG für Kapitalforderungen, die vor dem 01.01.2009 erworben wurden, wieder ausschließt.

Für eine teleologische Reduktion des § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG oder des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG besteht nach Auffassung des BFH ebenfalls keine Veranlassung. Eine teleologische Normreduktion zielt darauf ab, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Zweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken. Sie ist aber nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint, sondern kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung der Regelung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Die Wortlautauslegung der Sätze 15 ff. des § 52 Abs. 28 EStG und des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG führt jedoch nicht zu einem sinnwidrigen, sondern zu einem dem Gesetzeszweck entsprechenden Ergebnis. Denn durch die Einfügung des dritten Teilsatzes in § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG wollte der Gesetzgeber Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden und den mit der Abgeltungsteuer ab dem 01.01.2009 angestrebten Vereinfachungseffekt nicht konterkarieren.

Die Sätze 15 ff. des § 52 Abs. 28 EStG verstoßen nach Auffassung des BFH auch weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den für die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG im Streitfall entscheidenden dritten Teilsatz von § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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