08.10.2025

Verfassungsrechtliche Konsequenzen aus der Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze bei Veräußerungen i.S.d. § 17 EStG

Nach dem 13. Senat (Niedersächsische FG v. 12.11.2024 - 13 K 196/12) hat nun auch der 12. Senat des Niedersächsischen FG Stellung zu den Fragen genommen, bis zu welchem Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG Wertzuwächse aus verfassungsrechtlichen Gründen unberücksichtigt bleiben und ob Steuerberatungskosten, die im Zusammenhang mit der Führung eines Rechtsbehelfsverfahrens zur Frage der Steuerpflicht eines Veräußerungsgewinns anfallen, Veräußerungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG darstellen.

Niedersächsisches FG v. 26.8.2025 - 12 K 250/11
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe aufgrund der Veräußerung von Anteilen an der K-AG ein Veräußerungsgewinn gem. § 17 EStG entstanden ist. Der Rechtsvorgänger der Kläger (während des laufenden Rechtsbehelfsverfahrens verstorben und durch die Kläger beerbt) hatte Anteile i.H.v. über 1 % an der Kapitalgesellschaft im Jahr 2002 gewinnbringend veräußert, nachdem die Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG mit am 26.10.2000 verkündetem Gesetz mit Wirkung zum 1.1.2002 von 10 % auf 1 % herabgesenkt wordn war. 

Das Finanzamt ermittelte in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 7.7.2010 (2 BvR 748/05) anhand von Vorjahresverkäufen einen gemeinen Wert der veräußerten Anteile auf den 26.10.2000 und berücksichtigte diesen anstatt der Anschaffungskosten zur Ermittlung des zu besteuernden Veräußerungsgewinns, um dadurch vorher entstandene Wertzuwächse von einer Besteuerung auszunehmen. Die Kläger sind der Ansicht, dass stattdessen auf den gemeinen Wert zum Wirksamwerden des Gesetzes zum 1.1.2002 hätte abgestellt werden müssen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat - unter Bezugnahme auf verschiedene Entscheidungen des BVerfG - zu Recht auf den gemeinen Wert der Anteile zum 26.10.2000 abgestellt. 

Es bestehen zudem in der konkreten Konstellation Zweifel daran, dass eine Freistellung der vor der Gesetzesverkündung entstandenen Wertzuwächse aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt geboten ist. Dies war vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich, da der Senat an einer verbösernden Entscheidung wegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO ohnehin gehindert war. Zudem stellen die im Zuge der Rechtsverfolgung angefallenen Steuerberatungskosten keine Veräußerungskosten in Bezug auf die Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft dar, da diese nicht durch den Veräußerungsvorgang selbst, sondern erst im Streit über dessen Steuerpflicht veranlasst wurden.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | EStG
§ 17 Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
Stalbold in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG, Kommentar
323. Aufl./Lfg. 01.2024

Rechtsprechung (siehe Leitsatz)
Ermittlung des Veräußerungsgewinns durch die Veräußerung von Anteilen an einer AG - Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung des Veräußerungsgewinns
Niedersächsisches Finanzgericht vom 12.11.2024 - 13 K 196/12

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Niedersächsisches FG NL Nr. 11 vom 8.10.2025