07.04.2022

Vermögen eines anglo-amerikanischen Trusts als Nachlassvermögen des Errichters

1. Hat sich der Errichter einer ausländischen Vermögensmasse solche umfassenden Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber darüber nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters.
2. Die Ermittlung ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen und ist von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten ist zu berücksichtigen.

Kurzbesprechung
BFH v. 25. 6. 2021 - II R 13/19

ErbStG § 3 Abs 1 Nr. 1, § 3 Abs 2 Nr. 1, § 7 Abs 1 Nr. 8, § 10, § 12, § 37 Abs 1
BewG § 11, § 151 Abs 1 S 1 Nr. 3, § 151 Abs 4
AO § 90 Abs 2, § 121 Abs 1, § 179
FGO § 76 Abs 1, § 118 Abs 1 S 1, § 293
ZPO § 560


Im Streitfall wurde eine Erbschaftsteuererklärung abgegeben. Nicht Gegenstand der Erklärung und der Bescheide war ein Trust, der am 03.10.1997 nach den gesetzlichen Vorschriften von Guernsey errichtet worden war. Gründer waren der Steuerpflichtige sowie dessen vorverstorbener Bruder, Errichterin die Erblasserin, mit deren Vermögen der Trust auch ausgestattet wurde. Die Trustmanagerin hatte ihren Sitz auf Guernsey. Der Steuerpflichtige hatte im Laufe des Verfahrens die Gründungsurkunde nebst Übersetzung sowie ein "Memorandum of Wishes" (MOW) vorgelegt. Der Trust beteiligte sich zu jeweils 100 % an zwei Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht der British Virgin Islands gegründet waren, ihren Verwaltungssitz (Administration Office) im Jahre 2005 auf Guernsey hatten und Vermögenswerte in der Schweiz hielten.

Mit einer Selbstanzeige informierte der Steuerpflichtige das FA über den Trust, woraufhin das FA den Erbschaftsteuerbescheid entsprechend änderte. Der Trust sei eine unselbständige/transparente Vermögensmasse gewesen und in den Nachlass gefallen.

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Der BFH konnte nicht beurteilen, ob zu dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb des Steuerpflichtigen auch das seinem Erbteil entsprechende hälftige Vermögen des Trusts gehört. Es bedarf dazu ergänzender Feststellungen zu den dafür maßgebenden Rechtsordnungen.

Der Erbfall unterliegt im Streitfall dem deutschen Erbstatut und führt daher zur Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB. Diese bezieht sich auf das vererbbare Vermögen der Erblasserin. Ob ein Recht im Todeszeitpunkt noch vorhanden ist und einen Nachlassgegenstand darstellt, ist eine vom Erbstatut zu unterscheidende und kollisionsrechtlich gesondert anzuknüpfende Vorfrage.

Hat der Erblasser Vermögen in eine wirksam gegründete, rechtlich selbständige und intransparente Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S. der §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ausgegliedert, ist es ihm nicht mehr zuzurechnen und gehört folglich nicht in die Erbmasse. Kann jedoch der Erblasser aufgrund vorbehaltener Befugnisse über das Vermögen weiterhin frei verfügen, ist die Vermögensmasse rechtlich als transparent zu betrachten und das Vermögen dem Erblasser weiter zuzurechnen. Es fällt beim Tod des Erblassers in den Nachlass und ist der Gesamtrechtsnachfolge zugänglich.

Das Vermögen einer intransparenten, wirksam gegründeten und rechtlich selbständigen Stiftung i.S. von §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen und unterliegt schon deshalb nach inländischem Erbrecht ‑‑unabhängig von dem ausländischen Personalstatut der Stiftung‑‑ nicht mehr der gesetzlichen Erbfolge oder einer Verfügung von Todes wegen. Ist einer Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist es nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung.

Sind jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen einer ausländischen Stiftung vorbehalten, so dass die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter gegenüber tatsächlich und frei zu verfügen, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen.

Diese Rechtsgrundsätze gelten auch für Vermögensmassen ausländischen Rechts einschließlich anglo-amerikanischer Trusts. Hat sich der Errichter der Vermögensmasse derart umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen vorbehalten, dass die Vermögensmasse ihm gegenüber über das Vermögen nicht tatsächlich und frei verfügen kann, bleibt dieses Vermögen solches des Errichters und steht einem eigenen Bankguthaben gleich.

Das FG hat maßgebendes ausländisches Recht und den zugrundeliegenden Sachverhalt unter Beachtung der erweiterten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen von Amts wegen zu ermitteln. Das maßgebende ausländische Recht ist nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln.

Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei lassen sich die Anforderungen an Umfang und Intensität der Ermittlungspflicht des Tatrichters nur in sehr eingeschränktem Maße generell-abstrakt bestimmen Von der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlung ausländischen Rechts ist die Ermittlungspflicht des FG hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts zu unterscheiden. Das FG ist als Tatsacheninstanz gemäß § 76 Abs. 1 FGO von Amts wegen verpflichtet, den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erforschen. Die Beteiligten haben bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 76 Abs. 1 Satz 3 FGO). Bei einem Sachverhalt, der sich auf Vorgänge im Ausland bezieht, trifft den Steuerpflichtigen nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht.

Der BFH konnte auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden, ob das Vermögen des Trusts zum Nachlass der Erblasserin und damit zur Hälfte zum steuerpflichtigen Erwerb des Steuerpflichtigen gehörte und sich die Entscheidung deshalb im Ergebnis als richtig erweist. Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die Erbschaft des Steuerpflichtigen auch das hälftige Vermögen des Trusts umfasste, ist dieses nach Maßgabe von § 12 ErbStG so zu bewerten wie alle anderen Nachlassgegenstände. Das gilt auch für Anteile an Kapitalgesellschaften.

Eine gesonderte Feststellung deren Werts i.S. des § 179 AO findet für den im Streitfall maßgebenden Stichtag im Jahre 2005 schon deshalb nicht statt, weil § 12 Abs. 2 ErbStG dies noch nicht vorsah. Die aktuelle Fassung findet nach § 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3018) erst auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 31.12.2008 entsteht, und nimmt zudem ausländisches Vermögen nach § 151 Abs. 4 BewG von der gesonderten Feststellung weiterhin aus.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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