20.08.2025

Verschonungsbedarfsprüfung bei einer Familienstiftung

Hans Walter Schoor, Steuerberater, Kemmenau

Die Aufgabe eines Gewerbebetriebs gilt als Betriebsveräußerung. Betriebsaufgabegewinne sind damit steuerlich ebenso begünstigt wie Betriebsveräußerungsgewinne. Entsprechendes gilt z.B. auch für die Aufgabe einer freiberuflichen Praxis. Fraglich ist, ob die Steuervergünstigungen auch zum Zuge kommen, wenn der begünstigte Aufgabegewinn in zwei Veranlagungszeiträumen anfällt.

Praktische Fälle des Steuerrechts
Sachverhalt

Der 70 Jahre alte A betrieb bis zum 30.6.2024 ein Hotel und ein Restaurant (einheitlicher Gewerbebetrieb). Er veräußerte sukzessive einen Teil der wesentlichen Betriebsgrundlagen (Hotelgrundstück) und unwesentlichen Betriebsgrundlagen im August 2024 an B, die restlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen (Restaurantgrundstück) und unwesentlichen Betriebsgrundlagen im September 2025 an C. Der Aufgabegewinn beträgt insgesamt 130.000 €, davon entfallen 52.000 € auf das Jahr 2024 und 78.000 € auf 2025.

Fragen

1. Handelt es sich um eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe i.S.d. §§ 16, 34 EStG?

2. In welchem Kalenderjahr kann A den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch nehmen?

3. Ist sowohl der auf 2024 als auch der auf 2025 entfallende Betriebsaufgabegewinn tarifbegünstigt nach § 34 EStG?

Antworten

1. Ja, es handelt sich um eine steuerbegünstigte Betriebsaufgabe.

2. A ist auf Antrag für 2024 ein Freibetrag von 18.000 € und für das Jahr 2025 ein Freibetrag von 27.000 € zu gewähren.

3. Der nach Abzug des Freibetrags jeweils verbleibende Betriebsaufgabegewinn 2024 und 2025 ist tarifermäßigt nach § 34 Abs. 1 oder 3 EStG zu besteuern, wobei die Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG einen Antrag des A voraussetzt.

Begründung

Betriebsaufgabe ...

Zu 1:
Dass auch der Gewinn aus einer Betriebsaufgabe steuerbegünstigt ist, wird allgemein angenommen. Obwohl sich weder § 16 Abs. 4 EStG noch § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG ausdrücklich auf den Betriebsaufgabegewinn beziehen, wird dies stillschweigend aus der Verweisungsfiktion des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gefolgert.

Der Unterschied zwischen einer Betriebsveräußerung i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG und einer Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG besteht darin, dass
  • bei der Betriebsveräußerung die wesentlichen Grundlagen des Betriebs an einen anderen zur Fortführung des Betriebs übertragen,
  • bei der Betriebsaufgabe dagegen die wesentlichen Wirtschaftsgüter in relativ kurzer Zeit einzeln veräußert und/oder in das Privatvermögen überführt werden.

... und Betriebsveräußerung

Eine Betriebsveräußerung wird regelmäßig in einem Vorgang abgewickelt. Eine Betriebsaufgabe erstreckt sich dagegen - anders als die meist punktuelle Veräußerung eines Gewerbebetriebs - i.d.R. über einen gewissen Zeitraum. Gewinne aus einer Betriebsaufgabe können daher auch in mehreren Veranlagungszeiträumen anfallen, wenn sich die Betriebsaufgabe nicht in einem einzigen Rechtsakt, sondern über einen gewissen Zeitraum vollzieht.

Zusammengeballte Realisierung ...

Zu lange Zeit sollte sich der Stpfl. mit der Betriebsaufgabe jedoch nicht lassen. Wenn der Aufgabezeitraum zu lang wird, ist der Aufgabegewinn von der Tarifvergünstigung ausgeschlossen. Der Vorgang ist dann als nicht begünstigte allmähliche Abwicklung des Betriebs zu beurteilen. Denn nur die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven soll begünstigt werden. Daran fehlt es, wenn sich die Einzelveräußerung oder Entnahme aller wesentlichen Grundlagen über einen längeren Zeitraum hinzieht.

Sinn und Zweck der begünstigten Besteuerung des Veräußerungs- sowie des Aufgabegewinns als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG - ggf. unter Berücksichtigung der Freibetragsregelung des § 16 Abs. 4 EStG - ist nämlich die Gewährung der Tarifbegünstigung für den Fall einer zusammengeballten Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven, die in den wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit angesammelt und in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden. Bei nur teilweiser Aufdeckung der in der Person des Veräußerers vorhandenen stillen Reserven kommt eine Tarifbegünstigung nicht in Betracht.

... als Voraussetzung für Tarifvergünstigung

Die Tarifvergünstigung kommt also nur zum Zuge, wenn sich der Vorgang der Betriebsaufgabe innerhalb eines angemessenen Zeitraums vollzieht. Selbst wenn die Gewinne aus einer einheitlichen Betriebsaufgabe - wie hier - in mehreren Veranlagungszeiträumen anfallen, kann der Aufgabegewinn begünstigt besteuert werden, wenn sich der Vorgang der Betriebsaufgabe über einen gewissen, allerdings nur kurzen Zeitraum erstreckt. Gesichert erscheint, dass ein Betriebsaufgabegewinn noch tarifär begünstigt besteuert werden kann, wenn sich der Aufgabevorgang innerhalb eines angemessenen Zeitraums vollzieht, die Realisierung der stillen Reserven sich aber über zwei Veranlagungszeiträume erstreckt.

Die Finanzverwaltung hält - wohl aus Vereinfachungsgründen - einen Zeitraum von 18 Monaten für angemessen. Aber auch ein Betriebsaufgabezeitraum von 20 Monaten kann nach Auffassung des BFH im Einzelfall noch angemessen sein.

Beginn und Ende der Betriebsaufgabe

Um die Dauer des Aufgabevorgangs ermitteln zu können, muss festgestellt werden, wann die Aufgabe beginnt und wann sie endet. Die Betriebsaufgabe beginnt mit der ersten Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs als selbständiger wirtschaftlicher Organismus gerichtet ist, wie z.B. die Einstellung der werbenden Tätigkeit (hier: Juni 2024). Die Aufgabe endet in dem Zeitpunkt, in dem das letzte Wirtschaftsgut, das zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, veräußert oder in das Privatvermögen überführt wird (hier: September 2025). Da vorliegend der Zeitraum zwischen dem Beginn und der Beendigung der Betriebsaufgabe als angemessen anzusehen ist, handelt es sich um einen begünstigten Betriebsaufgabegewinn i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG.

Zeitpunkt der Versteuerung bei Übergabe(n)

Mit dieser sachlichen Zuordnung der aufgabebezogenen Veräußerungsvorgänge zum begünstigten Aufgabegewinn ist jedoch noch nicht entschieden, zu welchem Zeitpunkt der Gewinn aus der Veräußerung der einzelnen Wirtschaftsgüter verwirklicht wurde. Dies ist nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen zu entscheiden. Auch im Rahmen einer Betriebsaufgabe bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung weder nach dem Datum des Vertragsschlusses oder dem Übergang des zivilrechtlichen Eigentums, noch nach dem Tag der Kaufpreiszahlung, sondern allein nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber (hier: mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am Hotelgrundstück in 2024 und des wirtschaftlichen Eigentums am Restaurantgrundstück in 2025).

Der Aufgabegewinn von insgesamt 130.000 € muss danach i.H.v. 52.000 € dem Jahr 2024 und i.H.v. 78.000 € dem Jahr 2025 zugeordnet werden. Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns/Betriebsaufgabegewinns in zwei Veranlagungszeiträumen kann im Einzelfall durchaus beachtliche Progressionsvorteile bringen.

Aufteilung des Freibetrags

Zu 2: Wird der Aufgabegewinn in zwei Veranlagungszeiträumen realisiert, z.B. weil die wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb angemessener Frist an verschiedene Erwerber zum Teil im Jahr 2024 und im Übrigen erst im Jahr 2025 veräußert werden, gibt es dennoch nur insgesamt einen Freibetrag von maximal 45.000 €, wenn der Aufgabegewinn - wie vorliegend - 136.000 € nicht überstiegen hat (§ 16 Abs. 4 Satz 1 EStG). Erstreckt sich eine Betriebsaufgabe auf zwei Veranlagungszeiträume, ist der Freibetrag nach Auffassung der Finanzverwaltung8 im Verhältnis der Gewinne auf beide Veranlagungszeiträume zu verteilen (Gewinn 2024 = 52.000 € = 40 %; Gewinn 2025 = 78.000 € = 60 %). Der A zu gewährende Freibetrag beträgt insgesamt 45.000 €; er ist danach auf die Jahre 2024 und 2025 wie folgt aufzuteilen:

Freibetrag 2024: 40 % von 45.000 €    18.000 €

Freibetrag 2025: 60 % von 45.000 €    27.000 €

Freibetrag insgesamt                           45.000 €

Anzumerken ist, dass die Verteilung des Freibetrags umstritten ist. Zum Teil wird der vorrangige Ansatz im ersten Jahr und ein Abzug des verbleibenden Betrags in den Folgejahren für zutreffend gehalten. Nach wiederum anderer Ansicht soll dem Stpfl. ein Wahlrecht zugestanden werden, den Freibetrag auf die einzelnen Veranlagungszeiträume zu verteilen. Höchstrichterlich ist diese Frage noch nicht entschieden.

Ermäßigte Besteuerung ...

Zu 3: Erstreckt sich die Betriebsaufgabe auf zwei Veranlagungszeiträume, steht A die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG für jedes Jahr zu, d.h. die Tarifermäßigung kann sowohl im Jahr 2024 als auch 2025 in Anspruch genommen werden. Sie kann allerdings nicht in Anspruch genommen werden, soweit der Stpfl. die Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz für Veräußerungs- oder Aufgabegewinne bis 5 Mio. Euro nach § 34 Abs. 3 EStG wählt.

... nach § 34 Abs. 3 EStG

Zu 4: Der - nur auf Antrag zu gewährende - ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG von 56 %, mindestens jedoch von 14 %, ist begrenzt auf einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn bis 5 Mio. €. Erstreckt sich die Gewinnrealisation auf zwei Veranlagungszeiträume, gilt dieser Höchstbetrag für den Gesamtgewinn der beiden Veranlagungszeiträume nur einmal, die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG kann für diesen Gewinn auf Antrag in beiden Veranlagungszeiträumen gewährt werden. Der Höchstbetrag wird also nicht verdoppelt.

Verlag Dr. Otto Schmidt