13.07.2020

Verwendung von Altersvorsorgevermögen zur Entschuldung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie

Die Einzahlung von gefördertem Altersvorsorgevermögen auf einen nicht zertifizierten Bausparvertrag stellt auch dann eine förderschädliche wohnungswirtschaftliche Verwendung gem. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG dar, wenn infolge der hierdurch ermöglichten früheren Zuteilung der Bausparsumme erreicht werden soll, ein Darlehen zur Immobilienfinanzierung zinsersparend früher abzulösen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen) ist befugt, die Unwirksamkeit eines Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags (§ 92b EStG) durch eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen, sofern der Bescheid unter einer - bestandskräftig gewordenen - auflösenden Bedingung erlassen worden war und die Bedingung eingetreten ist.

BFH v. 12.2.2020 - X R 28/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger war Inhaber eines zertifizierten Altersvorsorgevertrags bei der X-AG. Er ist Eigentümer eines im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses. Im Jahr 2010 schloss der Kläger mit der Sparkasse Y und der Landesbausparkasse (LBS) mehrere Verträge. Er nahm ein Annuitätendarlehen (Darlehen I) sowie einen zunächst tilgungsfreien Vorfinanzierungskredit für ein Bauspardarlehen (Darlehen II) auf. In Höhe des Darlehens II schloss er deshalb zeitgleich einen nicht zertifizierten Bausparvertrag ab, der nach Zuteilung zur Tilgung jenes Darlehens einzusetzen war. Zur Sicherung des Darlehens II verpfändete er vereinbarungsgemäß sämtliche Ansprüche aus dem Bausparvertrag an die Sparkasse Y. Im September 2013 beantragte der Kläger bei der beklagten Deutsche Rentenversicherung Bund (Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen - ZfA) die Entnahme seines bei der X-AG aufgebauten Altersvorsorgevermögens zwecks Entschuldung seiner Wohnimmobilie (sog. Altersvorsorge-Eigenheimbetrag, § 92a EStG). In der dem Antrag beigefügten Bestätigung der X-AG heißt es, der Vertrag könne "frühestens zum 1.1.2014 zu Rente abgerufen werden", der späteste Vertragsbeginn der "Rentenphase" sei der 1.1.2018.

Nachdem der Kläger weitere Nachweise vorgelegt und mitgeteilt hatte, er wolle das Altersvorsorgekapital für die Ablösung des Darlehens I verwenden, erließ die ZfA am 5.12.2013 einen Bescheid über die Entnahme eines Altersvorsorge-Eigenheimbetrags gem. § 92b EStG. Sie gestattete, zu dem von ihr auf den 1.1.2014 angenommenen Beginn der Auszahlungsphase des Altersvorsorgevertrags das geförderte Kapital zu entnehmen. Der Bescheid erging unter der auflösenden Bedingung des späteren Nachweises einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung des Kapitals. Im Dezember 2014 teilte der Kläger auf Anforderung der ZfA mit, er habe sein Altersvorsorgevermögen nur zum Teil zur Rückführung des Darlehens I genutzt, da er andernfalls eine hohe Vorfälligkeitsentschädigung hätte entrichten müssen. Deshalb habe er das restliche Kapital seinem Bausparguthaben zugeführt und so erreicht, dass die Bausparsumme bereits im August 2017 zugeteilt werden könne. Aufgrund der hiermit verbundenen früher beginnenden Tilgung des Darlehens II erspare er sich erheblichen Zinsaufwand. Im März 2015 teilte die X-AG mit, vertraglicher Beginn der Auszahlungsphase sei der 1.1.2018.

Mit Bescheid vom 13.4.2015 stellte die ZfA rückwirkend die Unwirksamkeit ihres Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags fest. Zum einen sei die Verwendung des Altersvorsorgekapitals zur Entschuldung nur zu Beginn der Auszahlungsphase, die abweichend von der ursprünglichen Annahme erst am 1.1.2018 beginnen werde, möglich. Zum anderen sei das geförderte Kapital nicht - wie bewilligt - vollständig zur Rückführung des Darlehens I, sondern auch zur Auffüllung eines Bausparvertrags eingesetzt worden. Es liege insgesamt eine schädliche Verwendung vor. Über die Rückforderung werde ein gesonderter Bescheid ergehen. Während des Einspruchsverfahrens erließ die ZfA am 29.7.2016 einen Teilabhilfebescheid, in dem sie die Unwirksamkeit des Bescheids vom 5.12.2013 nur noch in betragsmäßig vermindertem Umfang feststellte. Soweit der Kläger das Altersvorsorgekapital zur Ablösung des Darlehens I eingesetzt habe, sei von einer wohnungswirtschaftlichen Verwendung gem. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Altersvorsorge-Verbesserungsgesetzes (AltvVerbG) vom 24.6.2013 (EStG n.F.) auszugehen. Im Übrigen wies die ZfA den Einspruch zurück.

Das FG hob die angefochtenen Feststellungsbescheide vom 13.4.2015 und 29.7.2016 auf. Es ging davon aus, der Kläger habe nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung (EStG a.F.) das gesamte geförderte Altersvorsorgevermögen zu Beginn der Auszahlungsphase zur Entschuldung einer Wohnung verwendet. Auf die Revision der ZfA hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheids über die Entnahme des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags gem. § 92b EStG vom 05.12.2013 ist im Umfang des geänderten Bescheids vom 29.07.2016 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder nach dem XI. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder unter bestimmten Voraussetzungen teilweise bis zum Beginn der Auszahlungsphase entweder unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer nach Satz 5 der Vorschrift begünstigten Wohnung oder - nur dies kam hier ernsthaft in Betracht - zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwenden. Mit der alternativ zur Kapitalentnahme bei Anschaffung/Herstellung des Wohneigentums begünstigten Entschuldung wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass auch die Ablösung von Darlehen, deren Mittel der Finanzierung des Erwerbs dienten, vom Zweck des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags - dem "mietfreien Wohnen" im Alter - erfasst wird. Durch diese Form der wohnungswirtschaftlichen Verwendung soll dem Zulageberechtigten ermöglicht werden, die Zins- und Tilgungskosten aus der selbstgenutzten Wohnimmobilie zu senken. Eine begünstigte Entschuldung liegt auch dann vor, wenn das zu tilgende Darlehen der Umschuldung ursprünglicher Anschaffungs- bzw. Herstellungsdarlehen dient.

Vorliegend war der vom Kläger vorgenommene Aufbau von Bausparguthaben nicht als wohnungswirtschaftliche Verwendung i.S.v. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. zu qualifizieren. Der Kläger hatte hierdurch kein zum Zweck der Anschaffung oder Herstellung von Wohneigentum bereits aufgenommenes Darlehen getilgt. Eine wohnungswirtschaftliche Verwendung war insoweit bereits vom Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen. Die "Tilgung" eines Darlehens setzt auch vom Wortsinn und Sprachgebrauch voraus, dass durch eine Leistung des Schuldners der Rückzahlungsanspruch des Gläubigers ganz oder zumindest teilweise erlischt; das Darlehen muss "abgelöst" werden. Zudem ist eine finale Beziehung ("zur") zwischen der Verwendung des Altersvorsorge-Eigenheimbetrags und der Darlehenstilgung erforderlich. Vorbereitende - selbst in (späterer) Tilgungsabsicht vorgenommene - Verwendungsmaßnahmen sind nicht begünstigt.

Der Kläger hat zwar Altersvorsorgekapital in der Absicht der Tilgung des Darlehens II seinem Bausparguthaben zugeführt. Allerdings verringerte diese Einzahlung noch nicht den Rückzahlungsanspruch der Sparkasse aus dem Darlehen II. Die nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. erforderliche Tilgungswirkung konnte erst zum Zeitpunkt der Zuteilung der Bausparsumme eintreten, da erst dann das Darlehen II vereinbarungsgemäß zurückgeführt werden sollte. Hieran änderte auch der Umstand nichts, dass der Kläger zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem Darlehen II u.a. das sich ratierlich aufbauende Sparguthaben aus dem Bausparvertrag an die Sparkasse verpfändet hat. Denn durch die Begründung eines Pfandrechts erlosch nicht etwa der Darlehensrückzahlungsanspruch; vielmehr erhielt die Sparkasse nur das Recht, im Sicherungsfall Befriedigung aus den verpfändeten Rechten zu suchen (§ 1204 Abs. 1, § 1273 BGB).

Eine über den Wortlaut des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG n.F. hinausgehende Auslegung des Merkmals einer Darlehenstilgung widerspräche der gesetzlichen Systematik der Förderung privater Altersvorsorge und ist daher ausgeschlossen. Im Übrigen war der vom Kläger angefochtene Feststellungsbescheid verfahrensrechtlich rechtmäßig, da die in dem Gestattungsbescheid enthaltene auflösende Bedingung eingetreten war. Demzufolge entfällt die Wirksamkeit jenes Bescheids im Umfang der geänderten Feststellung rückwirkend. Denn der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er sein gefördertes Altersvorsorgevermögen insoweit wohnungswirtschaftlich i.S.v. § 92a Abs. 1 EStG n.F. verwendet hatte, als er es auf das bei der LBS geführte Bausparkonto eingezahlt hatte.
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