25.01.2024

Verzicht des Gesellschafters auf unter Nennwert erworbene Genussrechtsforderung

1. Erwirbt der Gesellschafter eine Genussrechtsforderung gegen die Personengesellschaft unter Nennwert und verzichtet er im Anschluss auf den die Anschaffungskosten übersteigenden Teil der Forderung, entsteht im Gesamthandsbereich ein "Wegfallgewinn", der aus der Minderung der Verbindlichkeit resultiert.
2. Die Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung stehen dem nicht entgegen. Der Ertrag kann auch nicht durch die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens neutralisiert werden.

Kurzbesprechung
BFH v. 16.11.2023 - IV R 28/20

EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr. 2
EStDV 2000 § 60 Abs 2
FGO § 118 Abs 2


Wird der Gewinn ‑ wie im Streitfall ‑ durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, so ist für den Schluss des betreffenden Wirtschaftsjahrs das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EStG).

Im Streitfall war durch den Forderungsverzicht in Höhe von 14 Mio. € die in der Gesamthandsbilanz der Steuerpflichtigen (einer GmbH & Co KG) mit 28 Mio. € ausgewiesene Verbindlichkeit in entsprechender Höhe auszubuchen. Aus der Minderung dieses Passivpostens um 14 Mio. € entstand ein entsprechender Ertrag ("Wegfallgewinn).

Einer besonderen Rechtsgrundlage dafür, den Ertrag aus der Erhöhung des steuerlichen Betriebsvermögens als steuerpflichtig zu behandeln, bedarf es nicht. Der mit dem Wegfall der Verbindlichkeit einhergehenden Erhöhung des Gesamthandsvermögens steht keine Einlage oder "Quasi-Einlage" der Gesellschafter der Steuerpflichtigen gegenüber.

Die bei Mitunternehmerschaften anzuwendenden Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung standen der Ertragswirksamkeit des Vorgangs nicht entgegen. Ansprüche eines Gesellschafters aus einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Darlehensforderung gehören zwar nicht zu dem in der Gesellschaftsbilanz (Gesamthandsbilanz) auszuweisenden Eigenkapital, wohl aber zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, das in der aus Gesellschaftsbilanz und Sonderbilanzen zu bildenden Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft als Eigenkapital behandelt wird.

Auch wenn feststeht, dass eine solche Darlehensforderung wertlos ist, weil sie von der Gesellschaft nicht beglichen werden kann, folgt aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft regelmäßig nicht in Betracht kommt. Das Imparitätsprinzip gilt insoweit nicht. Vielmehr wird dieser Verlust im Sonderbetriebsvermögen ‑ ebenso wie der Verlust der Einlage in das Gesellschaftsvermögen ‑ grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung, also beim Ausscheiden des Gesellschafters oder bei Beendigung der Gesellschaft realisiert.

Aus der Gleichbehandlung eines Verlusts im Sonderbetriebsvermögen mit dem Verlust einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen folgt, dass maßgeblich für die Verlustrealisierung infolge der Wertlosigkeit einer Darlehensforderung der Zeitpunkt ist, zu dem die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb im Ganzen aufgibt oder veräußert. Die auf diesen Zeitpunkt aufzustellende Schlussbilanz zur Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Betriebsveräußerung oder -aufgabe tritt an die Stelle der handelsrechtlichen Liquidationsschlussbilanz. Der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn schließt grundsätzlich das Ergebnis der gewerblichen Betätigung des Gesellschafters ab. Deshalb sind bei der Ermittlung des Aufgabegewinns oder -verlusts sämtliche Aufwendungen des Gesellschafters gewinnmindernd zu berücksichtigen, die mit dem Aufgabevorgang verbunden sind.

Gleiches gilt, soweit der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, ohne dass die Gesellschaft ihren Betrieb beendet. Mit dem Ausscheiden endet die Stellung als Mitunternehmer. Die steuerlichen Folgen des Ausscheidens sind daher abschließend durch die Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns im Sinne des § 16 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG zu ziehen und erstrecken sich mithin auch auf eine etwaige Gewinn-/Verlustrealisierung im Zusammenhang mit einer Darlehensforderung des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Wird im Zuge der Veräußerung des Gesellschaftsanteils auch eine Darlehensforderung veräußert, erhöht das dafür geleistete Entgelt den Veräußerungserlös. Liegt das Entgelt unter dem Nennbetrag der Forderung, führt dies zu einem Veräußerungsverlust im Sonderbetriebsvermögen.

Mit dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Mitunternehmerschaft werden die in der Sonderbilanz ausgewiesenen Bilanzpositionen durch die Erstellung einer Sonderschlussbilanz nur noch bei der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns berücksichtigt. Eine Sonderbilanz ist für den ausgeschiedenen Gesellschafter nicht mehr aufzustellen. Damit entfällt zugleich das Erfordernis einer korrespondierenden Bilanzierung. Der Erwerber des Gesellschaftsanteils, der zugleich auch die Forderung des veräußernden Gesellschafters gegen die Gesellschaft erworben hat, übernimmt nicht das in der Sonderbilanz ausgewiesene Kapitalkonto des veräußernden Gesellschafters. Vielmehr ist für den Erwerber eine "eigene" Sonderbilanz zu erstellen, in der die der Gesellschaft (weiterhin) zur Verfügung gestellte Darlehensforderung mit den Anschaffungskosten des Neugesellschafters zu bilanzieren ist. Liegen diese unter dem Nominalwert der Darlehensforderung, ist der Bilanzansatz in der Sonderbilanz auf die niedrigeren Anschaffungskosten begrenzt. Davon ausgehend gelten dann grundsätzlich (wieder) die Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung.

Auf die Gesamthandsbilanz der Gesellschaft haben die Veräußerung der Darlehensforderung und der damit einhergehende Veräußerungsverlust im Sonderbetriebsvermögen des veräußernden Gesellschafters keine Auswirkung. Die Darlehensverbindlichkeit ist ungeachtet der Übertragung auf den Neugesellschafter in unveränderter Höhe auszuweisen. Dies hat zur Folge, dass spätere Zahlungen der Gesellschaft auf die Darlehensforderung bei dem Neugesellschafter zu einer Gewinnrealisierung im Sonderbetriebsvermögen führen, soweit sie die in der Sonderbilanz des Neugesellschafters ausgewiesenen Anschaffungskosten übersteigen.

Der BFH stellte heraus, dass nur durch diese bilanzielle Behandlung sichergestellt wird, dass dem Altgesellschafter der Verlust aus der Wertlosigkeit der Darlehensforderung gleich dem Verlust einer in das Gesamthandsvermögen geleisteten Einlage im Zeitpunkt der Beendigung seines (mit-)unternehmerischen Engagements und dem Erwerber der Darlehensforderung, dem Neugesellschafter, eine funktionale Einlage im Rahmen der additiven Gesamtbilanz nur in Höhe des tatsächlich geleisteten Aufwands steuerlich zugerechnet werden.

Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der korrespondierenden Bilanzierung sind streng gesellschafterbezogen anzuwenden. Die in der Gesamthandsbilanz ausgewiesene Darlehensverbindlichkeit verliert damit im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters ihre Funktion als funktionales Eigenkapital. Im Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschafterforderung auf den Neugesellschafter fällt der korrespondierende Bilanzansatz in der Sonderbilanz des Altgesellschafters weg. Dies hat zur Folge, dass eine in der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft ausgewiesene Darlehensverbindlichkeit im Zeitpunkt der Übertragung des Gesellschaftsanteils entsprechend ihrem Bilanzausweis als Fremdkapital anzusehen ist. Sie wandelt sich erst durch die Erfassung der Darlehensforderung in der Sonderbilanz des erwerbenden Neugesellschafters von Fremdkapital (wieder) in funktionales Eigenkapital der Gesellschaft um.

Der Ertrag konnte auch nicht durch die Bildung eines (passiven) Ausgleichspostens im Gesamthandsbereich neutralisiert werde, da. eine Rechtsgrundlage für die Bildung eines Ausgleichsposten nicht ersichtlich ist. Eine solche ergibt sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 EStDV. Denn die Vorschrift des § 60 EStDV regelt ausweislich ihrer Überschrift, welche "Gewinnermittlungsunterlagen" der Buchführung beizufügen sind. Enthält die Bilanz Ansätze oder Beträge, die den steuerlichen Vorschriften nicht entsprechen, so sind diese Ansätze oder Beträge nach § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften anzupassen. Der Steuerpflichtige kann aber auch eine den steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz (Steuerbilanz) beifügen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 EStDV).

Hierbei handelt es sich um Verfahrensvorschriften. Eine materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für einen steuerlichen Ausgleichsposten ist in § 60 Abs. 2 EStDV nicht zu erblicken. Ferner steht dem steuerpflichtigen Ertrag im Gesamthandsbereich kein korrespondierender Aufwand im Sonderbereich gegenüber.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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