15.05.2025

Verzinsung von Kapitalertragsteuerbeträgen, die nach § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 43b EStG und Art. 5 MTR zu erstatten sind

1. Das zweigeteilte Verfahren des Kapitalertragsteuereinbehalts mit dem Erfordernis für den Anteilseigner, sich die Kapitalertragsteuer gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 43b des Einkommensteuergesetzes (EStG) antragsgebunden erstatten zu lassen, ist mit dem Unionsrecht grundsätzlich vereinbar.
2. Erstattungsbeträge zur Kapitalertragsteuer gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 43b EStG und Art. 5 der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) sind nach dem Unionsrecht zu verzinsen, wenn dem Anteilseigner vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Erstattung der Kapitalertragsteuer unter Bezugnahme auf § 50d Abs. 3 EStG 2007 ohne Anhaltspunkte, die auf eine missbräuchliche Gestaltung im Einzelfall hindeuten, vorenthalten wird.
3. Der Zinslauf beginnt in Fällen, in denen ohne ein vorheriges Freistellungsbescheinigungsverfahren die Erstattung der Kapitalertragsteuer beantragt wird, drei Monate nach der Einreichung eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags. Er endet mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags.
4. Der Zinslauf beginnt in Fällen, in denen eine zunächst erteilte Freistellungsbescheinigung unter Bezugnahme auf § 50d Abs. 3 EStG 2007 vom BZSt widerrufen wird, ohne dass Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Gestaltung vorliegen, mit dem Tag des Einbehalts der Kapitalertragsteuer und endet mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags.
5. Die Zinsen sind für den relevanten Zinslauf nach dem Zinssatz gemäß § 238 der Abgabenordnung ohne Begrenzung auf volle Zinsmonate und unter Berücksichtigung der Regelung in § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs taggenau zu ermitteln.

Kurzbesprechung
BFH v. 25.2.2025 - VIII R 32/21

AO § 233, AO § 233a Abs 1 S 2, AO § 236, AO § 238
BGB § 187 Abs 1
EStG § 20 Abs 1 Nr 1, EStG § 43b, EStG § 50d Abs 1, EStG § 50d Abs 2 S 6, EStG § 50d Abs 2 S 7, EStG § 50d Abs 3
EWGRL 435/90 Art 1 Abs 2, EWGRL 435/90 Art 5
AEUV Art 49, AEUV Art 267 Abs 3


Im Streitfall hatte eine deutsche Aktiengesellschaft (AG) Gewinnausschüttungen an eine österreichische Muttergesellschaft vorgenommen. Für drei der Gewinnausschüttungen wurde die Erstattung der von der AG einbehaltenen Kapitalertragsteuer im Erstattungsverfahren vom BZSt unter Verstoß gegen das Unionsrecht gemäß § 50d Abs. 3 EStG 2007 abgelehnt.

Für eine weitere Gewinnausschüttung war der österreichischen Muttergesellschaft zunächst eine sog. Freistellungsbescheinigung erteilt worden, nach der die AG keine Kapitalertragsteuer hätte einbehalten müssen. Diese Freistellungsbescheinigung wurde vom BZSt unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG 2007 in unionsrechtswidriger Weise widerrufen.

Das BZSt hatte nach Ergehen der EuGH-Entscheidung Deister Holding und Juhler Holding die Kapitalertragsteuer im Rahmen der zeitweise ruhenden Einspruchsverfahren erstattet. Streitig waren nunmehr allein die Verzinsungsanträge der österreichischen Muttergesellschaft, die das BZSt mit der Begründung abgelehnt hatte, eine Verzinsung für erstattete Kapitalertragsteuerbeträge sei nicht zu gewähren, wenn die Steuer unter Abhilfe eines Einspruchs erstattet werde.

Der BFH entschied, dass der österreichischen Muttergesellschaft eine Verzinsung nach dem unionsrechtlichen Zinsanspruch zusteht. Der Zinslauf beginnt in Fällen, in denen ohne ein vorheriges Freistellungsbescheinigungsverfahren die Erstattung der Kapitalertragsteuer beantragt und im Erstattungsverfahren in unionsrechtswidriger Weise vorenthalten wird, drei Monate nach der Einreichung eines formal ordnungsgemäßen Erstattungsantrags. Er endet mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags.

In Fällen, in denen eine zunächst erteilte Freistellungsbescheinigung unter unionsrechtswidriger Bezugnahme auf § 50d Abs. 3 EStG 2007 vom BZSt widerrufen wird, beginnt der Zinslauf mit dem Tag des Einbehalts der Kapitalertragsteuer durch die AG und endet mit dem Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags. Dabei sind die Zinsen für die jeweiligen Verzinsungszeiträume taggenau und für Verzinsungszeiträume vor dem 01.01.2019 mit 6% p.a. zu berechnen.
Verlag Dr. Otto Schmidt