22.08.2012

Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig

Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (Änderung der Rechtsprechung). Bei einer Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten sind Abschlusszahlungen für das Todesjahr analog § 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.

BFH 4.7.2012, II R 15/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist neben ihrer Schwester zu 1/2 Miterbin ihres im Dezember 2004 verstorbenen Vaters (V). Ihre Mutter (M) war bereits im November 2004 vorverstorben. Für 2004 wurden V und M zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004 waren - nach Anrechnung der von V und M entrichteten Vorauszahlungen, des Zinsabschlags und der Kapitalertragsteuer - Abschlusszahlungen i.H.v. insgesamt 1.823.885 € zu entrichten.

Die Klägerin machte die Hälfte der Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das Finanzamt versagte in dem geänderten Steuerbescheid einen Abzug und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin auf 473.936 € fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab; die Einkommensteuer des Todesjahres des Erblassers könne beim Erben nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, weil sie am maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden gewesen sei. Auf die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG rügt, hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den von der Klägerin begehrten Abzug der Nachlassverbindlichkeiten beurteilen zu können. Grundsätzlich ist die vom Erben in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger zu leistende, noch vom Erblasser herrührende Einkommensteuer-Abschlusszahlung für das Todesjahr aber als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig.

Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls (Todeszeitpunkt) in der Person des Erblassers bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch solche Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die erst mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen.

Dies gilt in Übereinstimmung mit der zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach sich aus dem Begriff "herrühren" ergibt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb "für den Erblasser" als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

Die anteilig auf die Klägerin als Miterbin entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004 sind daher, soweit sie V betreffen, entgegen der Auffassung des FG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Soweit die Abschlusszahlungen M betreffen, sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn V Alleinerbe der vorverstorbenen M war.

Ist dagegen V wegen einer Ausschlagung der Erbschaft nicht Alleinerbe der M geworden, scheidet ein Abzug der M betreffenden Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten bei dem hier der Besteuerung zugrunde liegenden Erwerb von Todes wegen nach V aus. Das FG hat - aus seiner Sicht zu Recht - noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob V Alleinerbe der M war oder ob die Erbschaft ausgeschlagen wurde.

Hintergrund:
Das Urteil hat über den entschiedenen Einzelfall hinaus praktische Bedeutung. Durch den Abzug der Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten hat die Einkommensteuer für das Todesjahr unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Erbschaftsteuer. Im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten, von denen ein Ehepartner im Laufe des Jahres verstirbt, ist, so der BFH, entsprechend § 270 AO zu ermitteln, inwieweit die Einkommensteuernachzahlung auf den Erblasser, d.h. auf den vorverstorbenen Ehegatten entfällt.

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BFH PM Nr. 60 vom 22.8.2012
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