08.07.2021

Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes

Die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG setzt nicht den Betrieb eines Steuerlagers durch die Brauerei voraus.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.3.2021 - VII R 43/19

BierStG 2009 § 1 Nr. 9, § 2 Abs.1, § 2 Abs. 2 S. 1, § 4, § 5, § 14, § 29 Abs. 3 Nr. 2
EWGRL 12/92, 118/2008


Gemäß § 14 Abs. 1 BierStG entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr, es sei denn, es schließt sich eine Steuerbefreiung an. Bier wird u.a. durch die Entnahme aus dem Steuerlager in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt, es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung an (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 BierStG), oder durch die Herstellung ohne Erlaubnis nach § 5 BierStG (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 BierStG).

Steuerschuldner ist im Fall der Entnahme aus dem Steuerlager gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BierStG der Steuerlagerinhaber und im Fall der Herstellung ohne Erlaubnis gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BierStG der Hersteller sowie jede an der Handlung beteiligte Person.

Der Steuertarif wird in § 2 BierStG geregelt, wobei § 2 Abs. 1 Satz 3 BierStG den Regelsteuersatz und § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG nach der Jahreserzeugung gestaffelte ermäßigte Steuersätze für kleine Brauereien vorsieht. Demnach ermäßigt sich der Steuersatz für im Brauverfahren hergestelltes Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200 000 hl Bier in Stufen. Als unabhängig ist eine Brauerei anzusehen, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind, und Bier nicht unter Lizenz braut (§ 2 Abs. 3 Satz 1 BierStG).

Die ermäßigten Steuersätze i.S. des § 2 Abs. 2 BierStG gelten auch für Brauereien, die nicht über eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers i.S. des § 5 BierStG verfügen. Ein derartiges Erfordernis ergibt sich weder aus den einschlägigen Vorschriften des Biersteuerrechts noch aus der Systematik der Normen oder der Intention des Gesetzgebers. Auch aus dem Unionsrecht lässt sich nicht ableiten, dass nur Steuerlagerinhaber einen ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen können.

Das Biersteuergesetz enthält keine Definition des Begriffs der Brauerei. Gegen eine Beschränkung des Brauereibegriffs auf Steuerlager spricht allerdings bereits, dass das Biersteuergesetz beide Begriffe nebeneinander verwendet. So werden in § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BierStG die Steuerlager und in § 23 Abs. 2 Nr. 5 BierStG die Brauereien angesprochen. Die Definition der Brauerei in § 1 Nr. 9 BierStV gilt nur für diese Verordnung, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt. Der in § 1 Nr. 9 BierStV definierte engere Brauereibegriff kann daher schon aus diesem Grund nicht auf das Biersteuergesetz übertragen werden.

Abgesehen davon räumt § 29 Abs. 3 Nr. 2 BierStG dem Bundesministerium der Finanzen nur die Befugnis ein, Vorschriften zur Steuerermäßigung nach § 2 Abs. 2 bis 5 BierStG --insbesondere zum Besteuerungsverfahren-- zu erlassen. Eine inhaltliche Bestimmung oder Einschränkung der Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 BierStG im Verordnungswege ist von der Ermächtigung nicht gedeckt.

Auch aus systematischen Gründen kann es für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht darauf ankommen, ob die Brauerei ein Steuerlager betreibt. Dass die ermäßigten Steuersätze nur Steuerlagerinhabern zugutekommen, lässt sich auch aus den unionsrechtlichen Grundlagen nicht folgern. Darüber hinaus ist auch der Gesetzeshistorie und den Motiven des Gesetzgebers keine Beschränkung des ermäßigten Steuersatzes auf Steuerlager zu entnehmen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Steuerpflichtige eine kleine unabhängige Brauerei i.S. des § 2 Abs. 2 und 3 BierStG ist mit der Folge, dass auf die von ihr hergestellte streitgegenständliche Biermenge ein ermäßigter Biersteuersatz anzuwenden ist.

Der BFH wies den Streitfall an die Vorinstanz zurück, die nun im zweiten Rechtsgang die Jahreserzeugung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 7 BierStG der Steuerpflichtigen festzustellen muss, um abschließend entscheiden zu können, in welchem Umfang sich der Regelsteuersatz i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 BierStG im Streitfall ermäßigt. Dieser ermäßigte Steuersatz (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG) ist der Neuberechnung der Biersteuer für die streitgegenständliche Biermenge zugrunde zu legen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück