03.12.2014

Vorlage der Vorschriften über die Einheitsbewertung an das BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

Der BFH hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens seit dem Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind. Die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung findet nach Ansicht des II. Senates keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert.

BFH 22.10.2014, II R 16/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Jahr 2008 im Wege der Zwangsversteigerung eine Teileigentumseinheit (Ladenlokal) im ehemaligen Westteil von Berlin erworben. Das Finanzamt rechnete ihm das Objekt zum 1.1.2009 zu und wies darauf hin, dass der Einheitswert wie bisher 21.576 € betrage. Diesen Einheitswert hatte die Behörde gem. § 122 Abs. 5 i.V.m. § 124 Abs. 8 BewG i.d.F. des Art. 14 Nr. 10c u. Nr. 11b des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes durch Bescheid aus dem Jahr 1994 festgestellt.

Zur Berechnung des Grundstückswerts hatte das Finanzamt in dem Bescheid auf den Einheitswertbescheid auf den 1.1.1984 verwiesen, in dem es für das neu gebildete Teileigentum eine Nachfeststellung durchgeführt hatte. Es war dabei von einer Jahresrohmiete von 6.218 DM und einem Vervielfältiger von 6,8 ausgegangen und hatte die Grundstücksart Geschäftsgrundstück festgestellt. Ferner hatte es festgestellt, dass das Grundstück Betriebsgrundstück sei.

Der Kläger war der Ansicht, dass der gegenüber dem Voreigentümer festgestellte Einheitswert für das Teileigentum ihm gegenüber keine Bindungswirkung entfalten könne, weil die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts 1.1.1964 verfassungswidrig seien. Die Einheitswertfeststellung müsse daher zum 1.1.2009 ersatzlos aufgehoben werden.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens seit dem Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind.

Die Gründe:
Der Senat hält die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2009 für verfassungswidrig, weil die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 für die Einheitsbewertung zu Folgen führt, die mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht mehr vereinbar sind.

Einheitswerte werden für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, für Betriebsgrundstücke und für andere Grundstücke festgestellt. Sie sind neben den Steuermesszahlen und den von den Gemeinden festgelegten Hebesätzen Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer. Maßgebend für die Feststellung der Einheitswerte sind in den alten Bundesländern und West-Berlin die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964.

Der Senat ist der Ansicht, dass die Maßgeblichkeit dieser veralteten Wertverhältnisse (spätestens) seit dem Feststellungszeitpunkt 1.1.2009 wegen des 45 Jahre zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts nicht mehr mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung des Steuerrechts vereinbar ist. Durch den Verzicht auf weitere Hauptfeststellungen ist es nach Anzahl und Ausmaß zu dem Gleichheitssatz widersprechenden Wertverzerrungen bei den Einheitswerten gekommen. Die seit 1964 eingetretene rasante städtebauliche Entwicklung gerade im großstädtischen Bereich, die Fortentwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße sowie andere tiefgreifende Veränderungen am Immobilienmarkt finden keinen angemessenen Niederschlag im Einheitswert.

Das heißt allerdings nicht, dass das Niveau der Grundsteuer insgesamt zu niedrig ist. Vielmehr geht es lediglich darum, dass die einzelnen wirtschaftlichen Einheiten innerhalb der jeweiligen Gemeinde im Verhältnis zueinander realitätsgerecht bewertet werden müssen. Nur eine solche Bewertung kann gewährleisten, dass die Belastung mit Grundsteuer sachgerecht ausgestaltet wird und mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist.

Es obliegt nunmehr dem BVerfG, über die Vorlagefrage zu entscheiden. Der Vorlagebeschluss steht als solcher dem Erlass von Einheitswertbescheiden, Grundsteuermessbescheiden und Grundsteuerbescheiden sowie der Beitreibung von Grundsteuer nicht entgegen. Die entsprechenden Bescheide werden jedoch für vorläufig zu erklären sein.

Die Vorlage betrifft nicht die Bewertung des Grundvermögens im Beitrittsgebiet, für die die Wertverhältnisse am Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1935 maßgebend sind. Die Gründe, die zur Vorlage geführt haben, gelten aber aufgrund dieses noch länger zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts erst recht im Beitrittsgebiet.

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BFH PM Nr. 79 vom 3.12.2014
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