23.10.2025

Vorsteuerabzug bei Gründung einer GmbH durch Sacheinlage

Dipl.-Finanzwirt Uwe Fischer, Potsdam

Bei Gründung einer GmbH unter Leistung einer Sacheinlage durch einen nichtunternehmerisch tätigen Gesellschafter stellt sich häufig die Frage nach dem Vorsteuerabzugsrecht, wenn die GmbH noch nicht entstanden ist und folglich auch nicht Rechnungsempfänger sein kann. Jetzt hat ein FG unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer ein ergebnisorientiertes Urteil gefällt.

Praktische Fälle des Steuerrechts
Sachverhalt

Der bisher ausschließlich nichtunternehmerisch tätige A gründete im April 2024 mit notariellem Vertrag eine Ein-Mann-GmbH. Er bestellte sich zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer; die Einlage sollte durch Einbringung eines Pkw geleistet werden.

Den Pkw erwarb A im Mai 2024, die entsprechende Rechnung war an ihn adressiert. Der Pkw wurde in die GmbH eingebracht und A entsprechend dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zur Nutzung einschließlich Privatfahrten überlassen.

In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2024 macht die GmbH u.a. die Vorsteuer aus dem Erwerb des Pkw geltend. Das Finanzamt versagt den Vorsteuerabzug, weil die Rechnung auf A und nicht auf die GmbH in Gründung lautet. Somit handele es sich um einen Erwerb im Privatvermögen des A.

Frage

Steht der GmbH der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Pkw zu?

Antwort

Ja, die GmbH ist zum Vorsteuerabzug berechtigt (strittig).

Begründung
Kein Vorsteuerabzug beim Gesellschafter


Ein Unternehmer i.S.v. § 2 UStG kann die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus Lieferungen und sonstigen Leistungen anderer Unternehmer, die für sein Unternehmen ausgeführt wurden, nach § 15 UStG als Vorsteuer abziehen. Weitere Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist u.a. das Vorliegen einer Rechnung i.S.v. §§ 14, 14a UStG, die - neben weiteren Angaben - den Namen des Leistungsempfängers enthalten muss. A ist kein Unternehmer, so dass ihm auch kein Vorsteuerabzug zusteht. Zwar ist die Einbringung des Pkw eine umsatzsteuerliche Leistung, der die Gewährung von Gesellschaftsrechten gegenübersteht, doch wird durch diese Sacheinlage allein mangels Nachhaltigkeit keine Unternehmereigenschaft begründet.

Vorgesellschaft ...

Bei der GmbH als juristischer Person können drei Gründungsstufen zu unterscheiden sein: Vor Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags liegt eine Vorgründungsgesellschaft vor, grundsätzlich in der Rechtsform einer GbR. Bei der Gründung einer Ein-Mann-GmbH ist die Errichtung einer Vorgründungsgesellschaft jedoch nicht möglich. Mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags entsteht die Vorgesellschaft. Mit der Eintragung im Handelsregister entsteht sodann die GmbH, die als identisch mit der Vorgesellschaft angesehen wird und folglich auch den Vorsteuerabzug aus Eingangsumsätzen der Vorgesellschaft beanspruchen kann.

... ist zum Vorsteuerabzug berechtigt ...

Der Pkw wurde im Mai 2024 an A geliefert, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Vorgesellschaft bereits bestanden hatte. Er wurde dem Unternehmen der Vorgesellschaft und damit der - identischen - späteren GmbH zugeordnet und ausschließlich unternehmerisch genutzt. Damit liegt grundsätzlich ein von der Rechtsprechung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug geforderter Investitionsumsatz vor. Der EuGH hat für derartige Fälle entschieden, dass die Gesellschaft in die Lage versetzt werden muss, solche Investitionsumsätze beim Mehrwertsteuerabzug zu berücksichtigen, um die Neutralität der Steuerlast zu gewährleisten. Insoweit ständen Art. 9, 168 und 169 MwStSystRL nationalen Regelungen entgegen, nach denen weder der Gesellschafter noch die Gesellschaft einen Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen kann, die auf die Zeit vor Gründung und Eintragung der Gesellschaft entfallen.

Das Niedersächsische FG hat entsprechend dieser EuGH-Rechtsprechung entschieden, dass der GmbH der beantragte Vorsteuerabzug zusteht. Zur Wahrung der Neutralität der Mehrwertsteuer muss hier, da es sich um einen Investitionsaufwand handelt und A kein Vorsteuerabzug zusteht, eine personenübergreifende Zurechnung in der Unternehmensgründungsphase erfolgen.

... auch ohne zutreffende Adressierung

In der Adressierung der Rechnung an A sieht das FG8 unter Hinweis auf den EuGH einen rein formalen Mangel, der nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führt, weil dessen materielle Voraussetzungen erfüllt sind.

Anmerkung

Gegen das Urteil wurde Revision9 eingelegt. Der BFH hat dadurch Gelegenheit, sich mit dem vom EuGH in den Vordergrund gestellten Neutralitätsprinzip sowie dem Problem des "falschen" Rechnungsadressaten auseinanderzusetzen. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
Verlag Dr. Otto Schmidt