03.07.2025

Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft

Es ist bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft, ob Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage einer GmbH zu einer steuerbaren Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes führen, wenn die Gesellschafter vereinbaren, dass die Einzahlungen dem jeweils leistenden Gesellschafter zugeordnet werden.

Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 6.6.2025 - II B 43/24 (AdV)

ErbStG § 7 Abs 8 S 1
FGO § 69 Abs 2, FGO § 69 Abs 3
ErbStR 2019 R E7.5 Abs 11 S 13


Im Streitfall ging es im Rahmen der summarischen Prüfung des Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung um die Frage, ob Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage einer GmbH zu einer steuerbaren Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG führen, wenn die Gesellschafter vereinbaren, dass die Einzahlungen dem jeweils leistenden Gesellschafter zugeordnet werden. Der BFH hat hieran ernstliche Zweifel und daher dem Aussetzungsbegehren der Antragstellerin stattgegeben.

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Die Vorschrift fingiert eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit-)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt.

§ 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG soll eine Besteuerungslücke insbesondere bei disquotalen Einlagen schließen, indem eine solche Einlage des Zuwendenden in eine Kapitalgesellschaft schenkungsteuerrechtlich einer Direktzuwendung an den (Mit-)Gesellschafter gleichgestellt wird. Der BFH hatte in diesen Fällen vor der Einfügung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den Gesellschafter verneint, da es wegen der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern, die zur Erfüllung des Tatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG notwendig ist, fehlt.

Gegenstand der Zuwendung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die durch die Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft eintritt. Voraussetzung für eine solche Werterhöhung ist, dass der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteigt. Ob eine Werterhöhung vorliegt, ist in jedem Einzelfall festzustellen. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für den Eintritt der Werterhöhung als steuerbegründende Tatsache trägt das FA.

Eine disquotale Einlage eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage seiner Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich geeignet, zu einer steuerbaren Werterhöhung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu führen, weil sich durch eine solche Leistung auch der Wert der Anteile der anderen, nicht einlegenden Gesellschafter um den Betrag erhöht, der dem Einlagewert bezogen auf die jeweilige Beteiligungsquote des Gesellschafters entspricht. Der Eintritt einer solchen Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn dem einlegenden Gesellschafter anlässlich seiner Leistung zusätzliche Rechte gewährt werden, wie zum Beispiel eine Verbesserung seines Gewinnanteils, zusätzliche Anteile an der Gesellschaft oder eine von den Geschäftsanteilen abweichende Verteilung des Vermögens bei späterer Liquidation. Gleiches gilt, wenn zwischen den Gesellschaftern oder mit der Gesellschaft Zusatzabreden getroffen werden, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass seine Leistungen nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter führen, oder dem einlegenden Gesellschafter seine Einlageleistung über eine schuldrechtlich vereinbarte personenbezogene Kapitalrücklage bei der Gesellschaft zugeordnet.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hält es der BFH für ernstlich zweifelhaft, ob im Streitfall die Einstellung der durch die anderen Gesellschafter eingezahlten Beträge in die Kapitalrücklage der GmbH zu einer Wertsteigerung der Anteile der Antragstellerin im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG geführt hat.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar bislang noch nicht abschließend geklärt, ob die Wirksamkeit einer solchen gesellschafterbezogenen Zuordnung der Kapitalrücklage eine satzungsmäßige Grundlage erfordert. Im Schrifttum wird aber ‑‑ soweit ersichtlich ‑‑ übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bereits dann keine Anwendung findet, wenn die Gesellschafter schuldrechtlich vereinbaren, dass die von ihnen in das Vermögen der Gesellschaft geleisteten Einlagezahlungen ‑‑ wie im Streitfall ‑‑ innerhalb der Kapitalrücklage persönlich zugeordnet werden. Soweit das FG die Auffassung vertreten hatte, zur Vermeidung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG hätte es einer satzungsmäßigen Regelung bedurft, um einem möglichen Erwerber eines Gesellschaftsanteils zu verdeutlichen, dass die ihm als Gesellschaftsvermögen anteilig zustehende Kapitalrücklage mit einem Rückzahlungsanspruch belastet sei, rechtfertigt dies bei summarischer Prüfung schon deswegen kein anderes Ergebnis, weil es in den Streitjahren nicht zu einer Anteilsübertragung auf einen Dritten gekommen ist.

Die getroffene Abrede über die personenbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage entfaltete in den Streitjahren Bindungswirkung gegenüber sämtlichen Gesellschaftern der GmbH. Sie konnte diese Abrede jedem Gesellschafter, der im Liquidationsfall einen höheren als den vereinbarten Anteil an der Kapitalrücklage geltend macht, nach § 328 BGB entgegenhalten.

Etwas anderes ergab sich bei summarischer Prüfung auch nicht unter Zugrundelegung der Weisungslage der Finanzverwaltung. Gemäß R E 7.5 Abs. 11 Satz 13 ErbStR 2019 führen Leistungen einzelner Gesellschafter nicht zu einer nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG steuerbaren Werterhöhung der Anteile von Mitgesellschaftern, soweit am Stichtag diesbezüglich zwischen den Gesellschaftern oder mit der Kapitalgesellschaft "Zusatzabreden" bestehen, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass seine Leistung nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter führt. Gleiches gilt, soweit die Leistung als "schuldrechtlich" zugunsten des leistenden Gesellschafters gebundene Kapitalrücklage verbucht wird (R E 7.5 Abs. 11 Satz 14 Alternative 2 ErbStR 2019). Der Wortlaut dieser Regelungen spricht dafür, dass auch eine außerhalb der Satzung getroffene Abrede zwischen den Gesellschaftern ausreichen kann, um zu verhindern, dass die Leistung eines Gesellschafters in das Vermögen der Gesellschaft zu einer Wertsteigerung der Anteile der Mitgesellschafter führt. Legt man dieses Verständnis der Verwaltungsanweisung zugrunde, wäre ein Erfolg der Antragstellerin im Rechtsmittelverfahren gegen die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide auch auf der Grundlage der Weisungslage der Finanzverwaltung nicht von vornherein auszuschließen. Denn der Steuerpflichtige hat grundsätzlich einen auch vor den Steuergerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden. Den Finanzbehörden ist es danach verwehrt, in Einzelfällen, die offensichtlich vom Wortlaut der Verwaltungsanweisung gedeckt werden, deren Anwendung ohne triftige Gründe im Rahmen des ihnen prinzipiell eingeräumten Ermessens abzulehnen.
Verlag Dr. Otto Schmidt