11.08.2022

Wirksamkeit von Steuerbescheiden, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergehen

1. Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, können ausnahmsweise auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ergehen, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt und auch keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, welche zur Tabelle anzumelden sind.
2. Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, entsteht ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG nicht bereits zu dem Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Kurzbesprechung
BFH v. 5. 4. 2022 - IX R 27/18

AO § 125 Abs 1, § 251 Abs 2 S 1, § 251 Abs 3
EStG § 17 Abs 1 S 1, § 17 Abs 4 S 1, § 4 Abs 1, EStG § 5 Abs 1
InsO § 174 Abs 1 S 1, § 87


Im Streitfall reichte der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des W eine Einkommensteuererklärung für W und dessen Ehefrau beim FA ein. Dieses setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß in Höhe von rund 29.000 € fest. Unter Berücksichtigung einbehaltener Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von rund 2.500 €. Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch und Klage und machte geltend, das FA dürfe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine (förmlichen) Bescheide mehr erlassen.

Dies sieht der BFH jedoch anders und hat die Handhabung der Finanzverwaltung bestätigt. Zwar dürfen Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden. Vielmehr muss das FA Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Tabelle anmelden. Eine Ausnahme gilt für sog. Nullbescheide sowie für Umsatzsteuerbescheide, mit denen eine negative Steuer festgesetzt wird und aus denen sich keine Zahllast ergibt.

Ein vergleichbarer Ausnahmefall liegt nach Ansicht des BFH auch dann vor, wenn sich -trotz positiver Steuer- unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen eine Erstattung ergibt. Einem derartigen Bescheid fehlt die abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn damit hat das FA keine Insolvenzforderung festgesetzt, die nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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