10.06.2021

Zahlung aus öffentlichen Mitteln bei Zwischenschaltung eines freien Trägers der Jugendhilfe

Eine Zahlung aus öffentlichen Mitteln i.S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG an eine Pflegeperson kann bei Zwischenschaltung eines freien Trägers der Jugendhilfe nur vorliegen, wenn das zuständige Jugendamt weiß, ob und in welcher Höhe der freie Träger einen Eigenanteil einbehält, dies billigt und ihm gegen den freien Träger ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch zusteht, aufgrund dessen es eine Rechnungslegung über die Mittelverwendung und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 25.3.2021 - VIII R 37/19

EStG § 3 Nr. 11 S. 1, § 18 Abs. 1 S. 1

Zu den gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfreien Beihilfen zur Erziehung gehören u.a. auch die an Pflegeeltern für eine Vollzeitpflege gemäß § 33 des Achten Buches Sozialgesetzbuch aus öffentlichen Mitteln gezahlten Pflege- und Erziehungsgelder. Hierunter fallen auch Erziehungs- und Pflegegelder, die --wie im Streitfall-- an eine Pflegeperson (die Steuerpflichtige) gezahlt werden, die ein Pflegekind mit einem besonderen Unterstützungsbedarf zeitlich unbefristet in den eigenen Haushalt aufnimmt und dort umfassend in Vollzeit betreut.

 Öffentliche Mittel gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind solche, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d.h. haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn die derart in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt.

Für eine Zahlung aus öffentlichen Mitteln ist es - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung - nicht erforderlich, dass die Zahlungen auf Ebene des zwischengeschalteten Trägers "durchlaufende Posten" sind. Die von der Finanzverwaltung geforderte Vorgehensweise, dass das Pflegegeld der Pflegeperson durch das Jugendamt zu bewilligen ist und zusätzlich eine dreiseitige Vereinbarung zwischen der Pflegeperson, dem Jugendamt und dem freien Träger über die Betreuung geschlossen werden muss, wird von der Rechtsprechung nicht verlangt.

Eine Zahlung aus öffentlichen Mitteln kann anzunehmen sein, wenn das Pflegeverhältnis (nur) mittels eines zivilrechtlichen Pflegevertrags begründet wird, der entweder zwischen dem Jugendamt und den Pflegeeltern oder zwischen dem freien Träger und den Pflegeeltern abgeschlossen wird.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH werden die Pflegegelder nach haushaltsrechtlichen Vorschriften verausgabt und ist der gesetzlich geregelten Kontrolle der Mittelverwendung genügt, wenn der Finanzbedarf für die zur Betreuung erforderlichen Leistungen in den Haushaltsplänen des Trägers des zuständigen Jugendamts festgestellt wird und die Verwendung der Mittel der Rechnungskontrolle durch die Jugendhilfebehörde unterliegt. Gegenstand der notwendigen öffentlichen Rechnungskontrolle ist die Frage, ob die für ein bestimmtes Kind bewilligten Jugendhilfemittel an die vom freien Träger vertraglich zur Betreuung verpflichtete Pflegeperson tatsächlich abfließen. Es genügt für die erforderliche Kontrolle der zweckgerichteten Mittelverausgabung, wenn diese Feststellung der öffentlichen Hand anhand ggf. vom freien Träger vorzulegender Unterlagen möglich ist.

Die vorstehenden Kriterien sind jedoch konkretisierungsbedürftig. Denn dem zuständigen Jugendamt ist die Prüfung, ob die für ein bestimmtes Kind bereitgestellten Jugendhilfemittel an die Pflegeperson tatsächlich vollständig abgeflossen sind, nur möglich, wenn es weiß, ob und in welcher Höhe der freie Träger vom bewilligten Tagessatz einen Eigenanteil einbehält, welchen (Rest-)Betrag die Pflegeperson für die Betreuung (für Honorar, Sachkostenersatz und weiterzuleitendes Taschen- und Bekleidungsgeld) erhält und es dies billigt. Dies ist anhand geeigneter Unterlagen, etwa in einer Vereinbarung zwischen dem Jugendamt und dem freien Träger, zu dokumentieren.

Ferner besteht eine ausreichende Möglichkeit des Jugendamts, die Mittelverwendung durch den freien Träger zu kontrollieren, nur, wenn ihm gegen diesen ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch zusteht, aufgrund dessen es eine Rechnungslegung und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen kann. Die Kenntnis und Billigung der Honorarvereinbarung zwischen dem freien Träger und der Pflegeperson sowie der zumindest vertragliche Rechnungslegungskontrollanspruch des Jugendamts gegen den freien Träger müssen kumulativ gegeben sein.

Im Streitfall war dem Jugendamt jedoch nicht bekannt, wie die der GmbH gezahlten Tagessätze in einen Eigenanteil der GmbH und die für die Betreuung des Kindes an die Steuerpflichtige gezahlten Mittel aufgeteilt wurden. Das FG hatte festgestellt, dass bei der Beauftragung der GmbH durch das Jugendamt die Höhe der Vergütung der Steuerpflichtigen zwischen der GmbH und der Steuerpflichtigen ausgehandelt wurde und keiner Genehmigung des Jugendamts bedurfte. Die Steuerpflichtige war in die Honorarvereinbarungen zwischen der GmbH und dem Jugendamt nicht einbezogen. Eine Abstimmung zwischen ihr, dem Jugendamt und der GmbH fand lediglich insoweit statt, als geklärt werden musste, ob die Steuerpflichtige aufgrund ihrer bereits bestehenden engen persönlichen Bindung an das Pflegekind von der GmbH als Pflegemutter beauftragt werden durfte, obwohl sie angesichts des konkreten Betreuungsbedarfs nicht über die erforderliche und von der GmbH im Regelfall verlangte berufsfachliche Qualifikation verfügte. Entsprechend wies der BFH die Revision der Steuerpflichtigen als unbegründet zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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