12.11.2012

Zu den Voraussetzungen des Abzugs von Aufwendungen für einen Treppenlift als außergewöhnliche Belastungen

Der Treppenlift stellt ein medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinn dar, weshalb eine medizinische Indikation nicht typisierend angenommen werden kann. Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts ist deshalb gem. § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes ein amts- oder vertrauensärztliches Attest im Vorfeld der Maßnahme erforderlich.

FG Münster 18.9.2012, 11 K 3982/11 E
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann hatten sich Ende 2005 einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen lassen. Hierfür waren Kosten i.H.v. rund 18.664 € angefallen. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie die Aufwendungen für den Einbau als außergewöhnliche Belastung geltend. Dies lehnte das Finanzamt allerdings ab.

Das FG wies die hiergegen gerichtete klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Entscheidung auf (Urt. v. 5.10.2011, Az. VI R 14/11) und wies die Sache an das FG zurück. Zur Begründung führte der BFH aus, dass das FG den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht allein deshalb versagt habe, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung gehören könne, werde seit dem Urteil vom 11.11.2010 (Az. VI R 17/09) nicht länger festgehalten.

Das FG wies die Klage erneut ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen (Az.: VI R 61/12).

Die Gründe:
Die Klage war unbegründet, weil die Klägerin nicht das für den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen erforderliche amtsärztliche Attest, das über die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts eine Aussage hätte treffen können, eingereicht hatte.

Ein Treppenlift ist ein medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinne i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV, für den die Vorlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Attestes Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist. Medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne sind solche Gegenstände, die nach der Lebenserfahrung nicht nur von Kranken zur Heilung ihrer Krankheit oder zur Linderung der durch ihre Krankheit verursachten Beschwerden, sondern mitunter auch von gesunden Menschen angeschafft werden, um ihre Gesundheit zu erhalten oder ihren Lebenskomfort zu steigern. In vielen Fällen erfolgt ein Einbau eines Treppenliftes, um die Beschwerlichkeiten des Alters zu mildern. Außerdem wird - wie es bei Brillen oder Hörgeräten als Beispiele für Hilfsmittel im engeren Sinne der Fall ist - keine individuelle Anpassung des Treppenliftes an die Gebrechen des einzelnen Benutzers vorgenommen. Vielmehr ist der Treppenlift für jeden Nutzer und Besucher des Hauses nutzbar.

Der Senat versteht den Verweis des § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV auf § 33 Abs. 1 SGB V dahingehend, dass der Verordnungsgeber weiterhin an der von der früheren BFH-Rechtsprechung entwickelten Unterscheidung zwischen Hilfsmitteln im engeren und weiteren Sinne festhalten wollte. Er legt den Verweis daher nach Sinn und Zweck dahingehend aus, dass weiterhin für solche medizinischen Hilfsmittel, die sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gem. § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, ein amtsärztliches Attest vor der Anschaffung des Hilfsmittels notwendig ist. Nur so kann einkommensteuerrechtlich die Zwangsläufigkeit des jeweiligen Hilfsmittels für den jeweiligen Steuerpflichtigen sicher nachgewiesen werden.

Der Senat ist bzgl. der Forderung eines amtsärztlichen Attestes nicht an die rechtlichen Ausführungen des BFH aus seinem Urteil vom 5.10.2011 gebunden. Aufgrund einer Änderung der Rechtslage durch das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes, das entscheidungserheblich ist und dem ggf. - zulässigerweise - rückwirkende Geltung beigelegt wird, erlischt die Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 FGO. Das FG muss das Gesetz anwenden, das im Zeitpunkt seiner Entscheidung gültig ist. Die genannten Regelungen des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 EStDV sind gem. Art. 18 Abs. 2 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 am Tag nach Ihrer Verkündung am 5.11.2011 - und somit nach BFH-Urteil vom 5.10.2011 in Kraft getreten. Dennoch war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bzgl. der Qualifikation des Treppenliftes als medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinne die Revision zuzulassen.

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