01.09.2022

Zufluss von Kapitalerträgen beim beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft

Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann.

Kurzbesprechung
BFH v. 14. 2. 2022 - VIII R 32/19

EStG § 11 Abs 1 S 1, § 20 Abs 1 Nr. 1 S 1
DBA HRV Art 10
FGO § 155 S 1
ZPO § 293


Streitig war, ob dem Steuerpflichtigen in den Streitjahren 2007 bis 2010 als beherrschendem Gesellschafter einer kroatischen Kapitalgesellschaft beschlossene Gewinnausschüttungen, die ihm nicht ausbezahlt wurden, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen waren.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Derartige Gesellschaftsanteile können auch an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden, die ihrer Struktur nach einer nach deutschem Recht errichteten Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entsprechen. Das ist bei der Rechtsform einer d.o.o. der Fall, da es sich um eine Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung des kroatischen Rechts handelt, die mit einer deutschen GmbH vergleichbar ist.

Auch für den Zeitpunkt des Zuflusses der streitigen Ausschüttungen aus der kroatischen Kapitalgesellschaft ist das deutsche Einkommensteuerrecht maßgeblich. Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Bei (wie im Streitfall) beherrschenden Gesellschaftern ist der Zufluss einer Ausschüttung in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzunehmen, weil der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet.

Unter diesen Voraussetzungen kann der beherrschende Gesellschafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen. Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf den Zufluss von Gewinnanteilen bei einem im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft anzuwenden.

Unverzichtbare Bedingung für den Zufluss offener Gewinnausschüttungen beim beherrschenden Gesellschafter ist im Inlandsfall wie im Auslandsfall, dass der Gesellschafter über diejenigen Gewinnanteile, deren Ausschüttung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen wurde, wirtschaftlich verfügen kann. Die Bejahung des Zuflusses trotz noch fehlender tatsächlicher Auszahlung der Gewinnanteile an den beherrschenden Gesellschafter ist nur gerechtfertigt, wenn und soweit keine rechtlichen oder tatsächlichen Hinderungsgründe bestehen, die eine wirtschaftliche Verfügungsmacht und Disposition über die Gewinnanteile vereiteln. In Betracht kommen insoweit nicht nur Hindernisse des Gesellschaftsrechts oder allgemeinen Zivilrechts, sondern auch Hindernisse insolvenzrechtlicher, steuerrechtlicher oder bilanzrechtlicher Art.

Entsteht mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach ausländischem Recht ein wie im Streitfall sofort fälliger Gewinnauszahlungsanspruch, kann hieraus nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Denn die Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung des Ausschüttungsbetrags kann nach den Gegebenheiten des jeweiligen ausländischen Rechts dennoch ausgeschlossen sein. Soweit und solange Gegebenheiten des ausländischen Rechts der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über den Ausschüttungsbetrag entgegenstehen, ist noch kein Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihm gegeben.

Im Streitfall hatte das FG die Klage zu Unrecht die Klage abgewiesen und allein aus der Fälligkeit der beschlossenen Ausschüttungsbeträge unmittelbar auf die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die Ausschüttungsbeträge geschlossen, ohne zu prüfen, ob seiner Verfügungsmacht nach Maßgabe des kroatischen Rechts Hindernisse entgegenstanden. Der BFH wies daher den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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