14.08.2014

Zum Verlust einer Darlehensforderung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

Der Verlust einer aus einer Gehaltsumwandlung entstandenen Darlehensforderung eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber kann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, als der Arbeitnehmer ansonsten keine Entlohnung für seine Arbeitsleistung erhalten hätte, ohne seinen Arbeitsplatz erheblich zu gefährden. Der Umstand, dass eine Bank, dem Arbeitgeber kein Darlehen mehr gewährt hätte, ist lediglich ein Indiz für eine beruflich veranlasste Darlehenshingabe, nicht aber unabdingbare Voraussetzung für den Werbungskostenabzug.

BFH 10.4.2014, VI R 57/13
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob der Verlust von Genussrechtskapital, soweit es durch Umwandlung eines Überstundenguthabens entstanden ist, zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führt. Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Tarifangestellter einer GmbH. Im März 1999 schloss die Geschäftsführung der GmbH mit dem Betriebsrat zur Regelung der Arbeitszeit eine "Ergänzende Betriebsvereinbarung". Darin wurde u.a. geregelt, dass durch die Erhöhung der täglichen Regelarbeitszeit ein Stundenaufbau von 0,5 Stunden je Anwesenheitstag erfolge, der automatisch im Arbeitszeitsystem auf einem separaten Konto (Investitionskonto) gutgeschrieben werde.

Im Dezember 2001 schloss die Geschäftsführung der GmbH mit dem Betriebsrat eine weitere Betriebsvereinbarung, wonach die Geschäftsleitung den Mitarbeitern ein Genussrecht an der GmbH einräumte, das den Arbeitnehmern die Möglichkeit bot, sich an den Chancen und Risiken des Unternehmens zu beteiligen. Möglich waren danach Einzahlungen aus dem Nettoeinkommen. Im Juni 2002 wurde zudem vereinbart, dass zum 30.6.2002 Investstunden-Guthaben in Genussrechtskapital umgewandelt werden konnten. Eine Auszahlung der Investstunden-Guthaben kam nicht in Betracht. Neben der Umwandlung in Genussrechtskapital gab es nur die Möglichkeit des Arbeitszeitausgleichs. Auf dieser Grundlage wandelte der Kläger Investstunden-Guthaben i.H.v. rd. 2.500 € (Nettolohn) in Genussrechtskapital um. Außerdem leisteten der Kläger und sein Arbeitgeber weitere Zuzahlungen i.H.v. rd. 1.000 €.

Über das Vermögen der GmbH wurde im Jahre 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Gesellschaft wurde im April 2007 durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Die GmbH informierte den Kläger darüber, dass sein Genussrechtskapitalkonto einen Saldo von rd. 3.500 € aufweise. Die Forderung sei aber im Insolvenzverfahren "bestenfalls" nachrangig und könne daher im Forderungsanmeldebogen nicht berücksichtigt werden. Auch der Insolvenzverwalter der GmbH wies den Kläger darauf hin, dass es sich bei den Forderungen aus den Genussrechten um sog. nachrangige Insolvenzforderungen handele. Es sei nicht davon auszugehen, dass nachrangige Insolvenzforderungen berücksichtigt werden könnten.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2007 machten die Kläger den Verlust des der GmbH zur Verfügung gestellten Genussrechtskapitals i.H.v. rd. 3.500 € vergeblich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers geltend. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, der Verlust der Kapitalforderung sei nicht beruflich veranlasst. Es handele sich vielmehr um einen steuerunerheblichen Vorgang in der privaten Vermögenssphäre.

Das FG gab der Klage, mit der die Kläger noch die Zulassung des durch die Umwandlung des Überstundenguthabens entstandenen Kapitalverlusts von rd. 2.500 € zum Werbungskostenabzug begehrten, statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat den Verlust von Genussrechtskapital i.H.v. rd. 2.500 €, da es insoweit durch Umwandlung des Überstundenguthabens entstanden ist, zu Recht als Verlust einer sonstigen Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beurteilt und als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dazu rechnen alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind, einschließlich den Arbeitnehmer unfreiwillig treffende Substanzverluste. Gewährt ein Arbeitnehmer ein Darlehen, um Zinsen zu erwirtschaften, stehen regelmäßig die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Vordergrund. Geht in einem solchen Fall die Darlehensvaluta verloren, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 20 EStG a.F., dass Aufwendungen, die das Kapital selbst betreffen, wie Anschaffungskosten, Tilgungszahlungen oder der Verlust des Kapitals selbst, im Rahmen der Einkunftsart des § 20 EStG grundsätzlich nicht abziehbar sind.

Der Verlust der Darlehensforderung kann allerdings als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 19 EStG zu berücksichtigen sein, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen hat und daher jedenfalls nicht die Nutzung des Geldkapitals zur Erzielung von Zinseinkünften im Vordergrund stand. Als Indiz für solche beruflichen Gründe gilt nach BFH-Rechtsprechung z.. der Umstand, dass ein außenstehender Dritter, insbes. eine Bank, kein Darlehen mehr gewährt hätte.

Das FG ist danach zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verlust des Genussrechtskapitals, soweit es durch Umwandlung des Überstundenguthabens entstanden ist, in einem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis steht. Es hat sich dabei im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger ansonsten keine Entlohnung für die unbezahlt geleisteten Überstunden erhalten hätte, ohne seinen Arbeitsplatz erheblich zu gefährden. Diese Würdigung verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze und ist revisionsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung der Revision konnte das FG vorliegend deshalb auch offenlassen, ob der Kläger diese Umwandlungen zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, in dem keine Bank oder ein Dritter dem Arbeitgeber mehr Kredit gewährt hätte. Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist ein solcher Sachverhalt lediglich ein Indiz für eine beruflich veranlasste Darlehenshingabe, nicht aber unabdingbare Voraussetzung für den Werbungskostenabzug eines Darlehensverlustes bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Linkhinweis:

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