29.09.2011

Zum Verlustrücktrag eines 1999 erzielten Verlustes in den Veranlagungszeitraum 1998

Im Rahmen des nach § 10d EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu beurteilenden Rücktrags eines 1999 erzielten Verlustes in den Veranlagungszeitraum 1998 ist § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nicht anzuwenden (entgegen R 115 Abs. 6 EStR 1999). Voraussetzung für einen Rücktrag von negativen Einkünften ist nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG, dass diese bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte tatsächlich nicht ausgeglichen werden.

BFH 23.8.2011, IX R 53/05
Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte im Streitjahr (1998) Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. 510.836 DM, Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 375.431 DM, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 71.645 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 50.977 DM sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 72.337 DM. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 68.998 DM fest.

Im Zuge der Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1999 beantragte der Kläger, im Jahr 1999 angefallene Verluste i.H.v. 242.405 DM in das Streitjahr zurückzutragen. Das Finanzamt stellte den zum 31.12.1999 verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 242.095 DM und für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 310 DM fest. Die Feststellung für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurde auf 369.885 DM und für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 474 DM geändert.

Das Finanzamt erließ schließlich einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem die Steuer unverändert mit 68.988 DM festgesetzt wurde. Der Verlustrücktrag aus 1999 wurde mit 0 DM angesetzt. Zur Erläuterung verwies der Bescheid auf R 115 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 1999, wonach der Verlustrücktrag aus 1999 nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (fortan: EStG a.F.) vorgenommen werden könne. Mit seinem hiergegen gerichteten Einspruch beantragte der Kläger erfolglos, einen Teilbetrag des Verlustes aus 1999 i.H.v. nunmehr 160.963 DM auf das Streitjahr zurückzutragen.

Das FG gab der Klage überwiegend statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Im Rahmen des Rücktrags eines 1999 erzielten Verlustes in das Streitjahr ist § 2 Abs. 3 EStG a.F. nicht anzuwenden.

Nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG a.F. sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 2 Mio. DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen. Dieser Grundsatz wird durch Abs. 1 S. 2 und 3 der Vorschrift dahin eingeschränkt, dass die negativen Einkünfte zunächst von den positiven Einkünften derselben Einkunftsart abzuziehen sind, die "nach der Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG verbleiben".

Soweit in diesem Veranlagungszeitraum "durch einen Ausgleich nach § 2 Abs. 3 Satz 3" oder einen Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 S. 3 EStG die dort genannten Beträge nicht ausgeschöpft sind, mindern die nach § 10d Abs. 1 S. 2 EStG a.F. verbleibenden negativen Einkünfte die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bis zu einem Betrag von 100.000 DM, darüber hinaus bis zur Hälfte des 100.000 DM übersteigenden Teils der Summe der positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten.

Die in § 10d Abs. 1 EStG a.F. in Bezug genommene Regelung in § 2 Abs. 3 EStG a.F. ist nach § 52 Abs. 1 EStG a.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Eine abweichende, das Streitjahr erfassende Anwendungsregelung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen; der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 9.3.2011, IX R 72/04. Eine Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG a.F. im Rahmen des nach § 10d EStG a.F. zu beurteilenden Rücktrags eines 1999 erzielten Verlustes in den Veranlagungszeitraum 1998 ist daher nicht möglich.

Zwar ist das FG teilweise von anderen Grundsätzen ausgegangen, die Revision war gleichwohl zurückzuweisen. Nach der Regelung in § 10d Abs. 1 S. 1 EStG a.F. stehen für einen - wahlweisen, vgl. Abs. 1 S. 7 der Vorschrift - Verlustrücktrag in das Vorjahr solche negativen Einkünfte zur Verfügung, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte "nicht ausgeglichen werden". Diese Formulierung in § 10d Abs. 1 S. 1 EStG a.F. weist - anders als § 10d Abs. 2 S. 1 EStG - keinen materiell-rechtlichen Bezug zu den Verlusten des Verlustentstehungsjahres auf. Erforderlich für einen Verlustrücktrag ist also, dass es an einem tatsächlichen Ausgleich der genannten negativen Einkünfte fehlt. Ändert sich der (tatsächliche) Ausgleich der negativen Einkünfte im Verlustentstehungsjahr, ist auch der Verlustrücktrag zu ändern (§ 10d Abs. 1 S. 5 EStG a.F.).

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