02.01.2012

Zum Zeitpunkt des Zinszuflusses auf ein sog. Sperrkonto

Ein Steuerpflichtiger, der aus einem Urteil die Zwangsvollstreckung gegen Erbringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft betreibt und mit der Bank als Sicherheit für die Bürgschaft die Hinterlegung des erstrittenen Geldbetrags auf einem verzinslichen Sperrkonto vereinbart, erhält einen Zinszufluss im Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift auf dem Sperrkonto. Der Umstand, dass es sich bei dem Konto um ein sog. "Sperrkonto" handelt, steht dem Zufluss der Zinsen nicht entgegen.

BFH 28.9.2011, VIII R 10/08
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Ärztin und war bis 1992 an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt. Nach ihrem Ausscheiden kam es zum Rechtsstreit über Gewinnanteile mit ihren früheren Mitgesellschaftern. Mit Urteil vom 4.2.1998 erstritt die Klägerin beim LG einen Betrag von rund 2,3 Mio. DM zzgl. Zinsen gegen die von ihr verklagten Mitgesellschafter. Das Urteil war vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung, die auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank erbracht werden konnte. Die Klägerin machte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Im Gegenzug hatte sie mit der Bank vereinbart, den erstrittenen Gesamtbetrag von 3,2 Mio. DM bis zum Ergehen eines rechtskräftigen Urteils auf einem Sperrkonto als Sicherheit für die Bürgschaft zu hinterlegen.

Der zivilrechtliche Rechtsstreit endete schließlich zugunsten der Klägerin. Daraufhin gab die Bank das gesperrte Konto frei. Die Klägerin ging davon aus, dass dadurch der steuerliche Zufluss der Zinsen gem. § 11 EStG bewirkt werde. Das Finanzamt war allerdings anderer Meinung. Infolgedessen stritten die Parteien darum, ob der Klägerin bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzende Zinsen bereits in den Streitjahren 1998 bis 2001 oder erst im Jahr 2002 zugeflossen waren.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Klägerin die Zinsen nicht erst im Zeitpunkt der Freigabe des Kontos bei der Bank im Jahr 2002 zugeflossen waren, sondern bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen Gutschriften auf dem Konto, d.h. in den Veranlagungszeiträumen 1998, 1999, 2000 und 2001. Der Umstand, dass es sich bei dem Konto, auf das die Zinsen geflossen sind, um ein sog. "Sperrkonto" handelte, stand dem Zufluss der Zinsen nicht entgegen.

Zivilrechtliche Inhaberin des Kontos war die Klägerin. Das Konto lautete auf ihren Namen. Die Sperre des Kontos zugunsten der Bank, die wirtschaftlich betrachtet als Verpfändung des Guthabens zugunsten der Bank zu werten ist, setzt voraus, dass die Klägerin Verfügungsberechtigte hinsichtlich des Guthabens geworden ist. Das war hier der Fall. Die früheren Mitgesellschafter hatten ausschließlich an die Klägerin geleistet, die ihrerseits den empfangenen Betrag dann als Sicherheit für die Bank zur Verfügung gestellt hat. Somit war auch der Einwand der Klägerin unzutreffend, die Bank habe die auf dem Sperrkonto eingegangenen Beträge im alleinigen wirtschaftlichen und rechtlichen Interesse der früheren Mitgesellschafter verwaltet.

Die Vorinstanz ging auch zutreffend davon aus, dass der Klägerin die Prozess- und die Guthabenzinsen nicht erst im Jahr 2002, sondern bereits in den Streitjahren zugeflossen waren. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt der Kontogutschriften die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinsen erlangt. Dem stand nicht entgegen, dass die Gutschrift der Prozess- und Guthabenzinsen auf einem Sonderkonto erfolgte, das der Bank als Sicherheit für das von ihr ausgereichte Prozessaval zur Verfügung stand und über das die Klägerin erst nach einem rechtskräftigen zivilrechtlichen Urteil zu ihren Gunsten frei verfügen konnte. Schließlich beruhte die Verfügungsbeschränkung auf der freiwilligen Entscheidung der Klägerin, den Geldbetrag auf einem Sperrkonto als Sicherheit für die Bankbürgschaft für den Fall zu hinterlegen, dass das Prozessaval der Bank in Anspruch genommen wird.

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