09.08.2012

Zur Anlaufhemmung bei Abgabe einer die Pflichtveranlagung begründenden Steuererklärung nach Ablauf der Festsetzungsfrist

Die eine Pflichtveranlagung begründende Steuererklärung entfaltet keine anlaufhemmende Wirkung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, wenn sie erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO abgegeben wird. Der Steuerpflichtige kann durch Stellung eines Antrags die in § 47 AO gesetzlich festgelegte und unmittelbare Beendigung des Steuerschuldverhältnisses nicht rückwirkend aufheben.

BFH 28.3.2012, VI R 68/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 23.12.2005 seine Einkommensteuererklärung für 1998 beim Finanzamt eingereicht. Darin erklärte er Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Zugleich hatte er den Haushaltsfreibetrag beantragt. Die Steuerbehörde lehnte die Veranlagung unter Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung ab.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Da mangels Einreichung einer Erklärung gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO die Anlaufhemmung von maximal drei Jahren greife, beginne die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2001 und ende mit Ablauf des Jahres 2005. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Zwar hatte das FG den Lauf der Festsetzungsfrist unzutreffend bestimmt, denn die Festsetzungsfrist war bereits bei Einreichung der Einkommensteuererklärung im Jahr 2005 abgelaufen. Dennoch hatte das Finanzamt die Veranlagung für 1998 zu Recht abgelehnt.

Entgegen der Auffassung des FG begann die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO bereits mit Ablauf des Jahres 1998, nämlich dem Jahr der Entstehung des Steueranspruchs, und endete dementsprechend mit Ablauf des Jahres 2002. Nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist zwar dann, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung, die Anmeldung oder die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird, und spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Der Anlauf der Festsetzungsfrist ist allerdings dann nicht gehemmt, wenn keine Steuererklärung einzureichen ist. Und so lag der Fall hier.

Die erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingereichte Steuererklärung konnte hier auch nicht mehr nachträglich eine rückwirkende Hemmung des Beginns der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO bewirken. Denn gem. §§ 25 Abs. 3, 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a Buchst. c 2. Alt. EStG i.V.m. § 56 S. 1 Nr. 2 Buchst. b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung führte zwar der Antrag auf Gewährung eines Haushaltsfreibetrags zu einer Pflichtveranlagung, so dass eine Steuererklärung einzureichen und damit der Anwendungsbereich des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich eröffnet war. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der für das Streitjahr bestehende Einkommensteueranspruch aufgrund der Verjährung nach § 47 AO bereits erloschen.

Es entspricht der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass eine behördliche Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung den Anlauf der Festsetzungsfrist dann nicht mehr hemmt, wenn sie dem Steuerpflichtigen erst nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO zugeht. Entsprechendes gilt, wenn sich die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht aus einer behördlichen Aufforderung ergibt, sondern der Steuerpflichtige selbst erst eine solche Pflicht durch seinen Antrag nach § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a Buchst. c 2. Alt. EStG begründet. Denn auch der Steuerpflichtige kann durch Stellung eines Antrags die in § 47 AO gesetzlich festgelegte und unmittelbare Beendigung des Steuerschuldverhältnisses nicht rückwirkend aufheben.

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